nach längerer Zeit des passiven Mitlesens habe ich mich nun endlich überwunden mich anzumelden.
Ich bin 42 Jahre, trage seit meiner Kindheit eine weibliche Seite in mir und habe allerhand versucht, sie zu überspielen. Wie bei den meisten von Euch hier hat es mit den Klamotten meiner Mutter angefangen. Es war ein herrliches Gefühl, ein luftiges Kleid und hohe Schuhe zu tragen. Leider habe ich meine Mutter bald um einen Kopf überragt, so dass sich das schnell von selbst erledigt hatte. So habe mir dann einen kleinen Fundus angelegt, den ich immer getragen habe, wenn ich etwas Zeit für mich hatte. Lange Jahre konnte ich das nicht einordnen, es war immer sehr schambehaftet. Bin ich pervers? Bin ich schwul? Bin ich trans? Nö, nicht wirklich. Aber was denn dann? Immerhin scheine ich diesbezüglich ein gutes Organisationstalent entwickelt zu haben: Nie hat jemand Verdacht geschöpft oder mich gar erwischt, weder meine Eltern, noch Mitbwohner, noch Freundinnen oder letztendlich meine Frau. Letzterer habe ich dann vor einigen Jahren behutsam nahegebracht, was in mir vorgeht. Sie war sehr verwirrt, aber verständnisvoll. Sie meinte, ich solle das auf keinen Fall mehr weiter in mich hineinfressen.
Mein Schlüsselerlebnis hatte ich dann letztes Jahr auf dem Oktoberfest (ja, ich bin Münchenerin!): Nach der zweiten Mass stellte ich fest, dass ich von lauter hübschen Dirndln umgeben war. Während das für einen "normalen" Mann ein Grund zur Freude sein sollte, gesellte sich bei mir eine gehörige Portion Neid hinzu. Warum darf ich kein Dirdnl tragen, Dekolleté und schöne Beine zeigen?? Als dann zu vorgerückter Stunde, andere Location, auch noch "Time Won't Wait" von Jamiroquai lief, überkam mich eine abgrundtiefe Traurigkeit. So etwas kannte ich bislang nicht. Für mich war zwar der Abend gelaufen, den Refrain habe ich mir aber seitdem als Lebensmotto genommen:
Time won't wait for you
So do all the things you wanted to
Better hurry up, take it in your stride
Use your resolution which you've been supplied
Gesagt, getan. Zuerst bin ich in persona zu Special Trade nach Nürnberg gefahrung und habe mir ein paar hochwertige Sillis gegönnt. Etwas später habe ich eine fähige und vertrauensvolle Depiladora gefunden: Einmal vom Yeti zur Nacktschnecke. Im Herbst war ich bei Elli Hunter, die von mir ein paar wunderschöne Fotos geschossen hat. Die Perücke habe ich gleich mitgenommen. Diesen Sommer war ich im Atelier in Dresden. Seitdem weiß ich, dass man auch bei über 30°C mit Silikon-Hüftpolstern durch eine Stadt laufen kann, und dass dabei ein gut abgepuderter Kryolan-Stick auch mehrere Stunden unterm Mund-Nasenschutz stabil hält. Und überhaupt: Ich kann mich als Frau über mehrere Tage alleine durch eine fremde Großstadt (inkl. ÖPNV) bewegen, ohne nennenswert aufzufallen! Wahnsinn!!
Seitdem bin ich wesentlich ruhiger geworden, ja würde sogar fast sagen, dass ich mit meiner Neigung meinen Frieden gemacht habe. Ich bin gerne ein Mann und mag meinen männlichen Körper. Aber wenn ich will, kann ich mich mit ein paar Tricks in eine attraktive Frau verwandeln. That's my superpower.
Ein paar Problemzonen bleiben aber noch:
- Ich kann nicht von zuhause aus starten, aus Rücksicht auf Frau und den Nachwuchs. Zudem sind wir quasi umzingelt von netten und aufmerksamen Nachbarn. Das bring ich nicht fertig.
- Ich hatte bislang wenig Kontakt zu Gleichgesinnten. Das soll sich hiermit ändern.
Liv