Mein Jahr 2021Mein Jahr 2021

[Eva]

Hallo ihr Lieben,

in meiner Vorstellung hatte ich schon angedeutet, dass 2021 ein besonderes Jahr für mich war. Das möchte ich gern mit euch teilen :)

Ein kurzer Blick zurück: Mit 17 oder 18 habe ich das Crossdressen angefangen, nachdem es mich schon einige Jahre gereizt hatte. Ich war schon immer sehr schlank, sodass ich meinen Körper gut zu einer Frau formen konnte. Ein paar Polster drauftun ist bekanntlich leichter, als etwas wegzuschneiden. Mein Gesicht ist da eine größere Hürde, an der ich dann irgendwann aufgegeben habe. Ich hätte mir natürlich sagen können: "Ist doch egal, hab Spaß!" Allerdings habe ich nicht das größte Selbstvertrauen und hatte Angst, dass einige negative Erfahrungen in der Öffentlichkeit dazu führen, dass ich dieses Kapitel aus den falschen Gründen für immer schließe. So geriet das Ganze für einige Jahre in Vergessenheit. Mittlerweile bin ich 29.

Es brauchte über ein Jahr Corona, bis ich endlich realisiert habe, dass unser Alltag mittlerweile von maskentragenden Menschen geprägt ist. Ohne es zu bemerken, war das letzte Mode-Accessoire "en vogue" geworden, das mir immer gefehlt hatte, um vor die Tür zu treten. Ich beschloss in dem Moment, mir eine alltagstaugliche zweite Garderobe zusammenzustellen und experimentierte viel mit Polstern und anderen Hilfsmitteln, um eine authentische Eva ins Leben zu rufen. Das ging einige Monate so, in denen ich es kaum erwarten konnte, endlich rauszugehen. Vielleicht war ich übervorsichtig, aber ich habe lange dran gefeilt :)

Und dann war es so weit. Ich war sehr lange in der Stadt spazieren, 11 Kilometer, wie ich hinterher festgestellt habe. Und es war wunderbar. Das Herz raste anfangs, und machte jedes Mal einen freudigen Sprung, wenn ich meine Spiegelung in einem Schaufenster sah. Ich habe keinen einzigen Kommentar oder komische Blicke wahrgenommen. Dabei ist mir fast egal, ob mir die Illusion gut gelungen ist, oder die Leute wunderbar tolerant waren. Beides ist für mich eine Form von Normalität, in der ich mich als Eva wohlfühle. Dementsprechend folgten seitdem viele weitere Spaziergänge in alle möglichen Richtungen, und fürs neue Jahr möchte ich auch einige Events besuchen, sofern es Corona zulässt.

Direkt nach dem ersten Ausflug habe ich das ganze meinen Eltern und nach und nach drei Freundinnen erzählt. Ich hatte von vornherein keine Lust auf ein Versteckspiel im engen Kreis. Wenn mal die Stiefeletten im Flur stehen, oder das Kleid noch auf der Wäscheleine hängt, soll sich niemand wundern müssen. Für meine Eltern war"™s im ersten Moment schwierig, da sie dachten, ich leide schon mein ganzes Leben. Als Außenstehende bekommt man ja aus der transsexuellen Welt vor allem das seelische Leid vermittelt. Aber mittlerweile geht"™s. Ich glaube, der wichtigste Teil zur Akzeptanz ist die Erkenntnis, dass Eva schon immer Teil meines Wesens war. Dass sie"™s nun wissen, ändert nichts an meiner Persönlichkeit.

Die Freundinnen waren sehr begeistert und haben mehr Pläne mit Eva als ich selbst :)
Eine von ihnen hat mir einen ganzen Schwung Make-up überlassen und beigebracht, es zu benutzen. Da hätte ich auch nie gedacht, dass ich jemals ein gelungenes Augen-Make-up hinbekomme. Aber es ist tatsächlich nur Übungssache. Und es hilft natürlich, wenn man sich vertrauensvoll Feedback einholen kann. Außerdem war ich einige Male beim Waxing - so komplett unbehaart hat auch viel für sich :)

Mal schauen, wie es nächstes Jahr weitergeht. Ich denke, wenn man allem die nötige Zeit lässt, sich von allein zu entfalten, dann spürt man, welche Schritte die richtigen sind.

Liebe Grüße
Eva

[-=Tom=-]

Hallo Eva,

danke für diesen schönen Beitrag. Genau solche Erzählungen helfen hier ganz vielen Menschen sich selber aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Ich finde es wunderbar das du mit 29 Jahren schon an einem Punkt bist, welchen ich mit 43 noch nicht ganz erreicht habe. Bei mir fing das alles schon mit 13 oder 14 an und hat sich die ganzen Jahre stetig entwickelt. Den Mut mich zu outen (zumindest im ganz vertrauten Kreis) habe ich erst vor kurzem gefunden. Mich selber so zu akzeptieren, die Frau in mir zu sehen, das alles passiert bei mir erst bewusst seit einem Jahr. Gehe deinen Weg, denn Du machst alles richtig damit. Lass dich nicht von Meinungen anderer verunsichern, die unsere Welt nicht verstehen!
Die Frau in dir gehört zu dir und das bist auch du. Ohne diese Seite bist Du nicht Du und es würde etwas fehlen.
Nutze diese wertvolle Zeit für dich . Die Unterstützung durch deine Freundinnen ist sehr wertvoll und wird dich in weniger schönen Situation auffangen. Du kannst stolz auf dich sein und das was du bisher geschafft hast.

Ganz liebe Grüße

[Annette]

Guten Abend Eva,

ich pflichte dir bei, in allem! Ich selbst habe mich gleich zu beginn des ersten Lockdowns im Frühling 2020 geoutet, nach über 20 Jahren innerem Zerwürfnis. Diese Scheisse hatte ich ja fast mit meinem Leben bezahlt. Aber (Corona sei dank? keine Ahnung...) dann hatte ich mich getraut. Es war der Startschuss in ein neues Leben. Nun bin ich in Therapie, HET, bin seit kurzem gesetzlich eine Frau und heisse offiziell "Annette". Das zweite Ziel wird dann der Schnitt im Schritt... Und es ist fast wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte: diese verschissene Corona-Zeit war bisher die schönste Zeit meines ganzen Lebens gewesen. In diesem Sinne verstehe ich dich ganz gut und danke dir auch für deinen wunderschönen Bericht.

Mit besten Grüssen,
Annette CS

[Violetta Arden]

Herzlich willkommen - und schön, dass Du so positiv auf dieses Jahr zurückblicken kannst- um es mit Reinhard Mey zu sagen: c' etait une bonne anneé, je croix -(ich denk, es war ein gutes Jahr)
Alles Liebe Gerda

[Blossom]

Ich denke, wenn man allem die nötige Zeit lässt, sich von allein zu entfalten, dann spürt man, welche Schritte die richtigen sind.

Du bringst es damit auf den Punkt. Freut mich zu lesen, dass du auf 2021 derart positiv zurückblickst.

[kathrin84]

Hallo Eva,

vielen Dank für den tollen Beitrag in deinem eigenen Thread. Damit machst du anderen Mut. Ich wünsche dir auch weiterhin für die Zukunft alles gute und hoffe das du uns hier auch weiterhin auf dem laufenden hälst.

Viele Grüße
Kathrin

[Claudia-67]

Hallo Annette,

ich pflichte dir bei, in allem! Ich selbst habe mich gleich zu beginn des ersten Lockdowns im Frühling 2020 geoutet, nach über 20 Jahren innerem Zerwürfnis. Diese Scheisse hatte ich ja fast mit meinem Leben bezahlt. Aber (Corona sei dank? keine Ahnung...) dann hatte ich mich getraut. Es war der Startschuss in ein neues Leben. Nun bin ich in Therapie, HET, bin seit kurzem gesetzlich eine Frau und heisse offiziell "Annette". Das zweite Ziel wird dann der Schnitt im Schritt... Und es ist fast wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte: diese verschissene Corona-Zeit war bisher die schönste Zeit meines ganzen Lebens gewesen. In diesem Sinne verstehe ich dich ganz gut und danke dir auch für deinen wunderschönen Bericht.

Corona war auch bei mir die Chance das Thema endlich anzugehen. Es war und ist eine schwierige Zeit, aber mit Lappen im Gesicht war der Schritt in die Öffentlichkeit deutlich einfacher. Inzwischen ist es der Normalfall für mich als Frau. Therapie läuft auch, HET geht im Frühjahr los.
Aber eigentlich hätte ich das auch alles schon vor Jahren angehen können. Ich hatte mich nur nie getraut.

LG
Claudia

[Katja S.]

Hallo Eva,

liest sich toll

Ohne es zu bemerken, war das letzte Mode-Accessoire "en vogue" geworden, das mir immer gefehlt hatte,

Was war denn das?

Liebe Grüße
Katja

[Eva]

Vielen Dank für die lieben Worte! Ich fühle mich schon sehr wohl hier :)

Ich bin sehr froh, dass Corona, bei all den Hiobsbotschaften jeden Tag, zumindest für einige von uns eine Tür öffnen konnte. Sonst wäre ich wahrscheinlich nie rausgegangen.

... Ich nehme an dass sie die Maske meint...

Ja, genau. Damit bin ich deutlich entspannter unterwegs :)

Liebe Grüße
Eva

[Katja S.]

Ja, genau. Damit bin ich deutlich entspannter unterwegs

Stimmt schon, die Maske hilft Ängste zu überwinden. Hat mir auch geholfen. Allerdings hab ich zwischenzeitlich, dort wo erlaubt, auch ohne Maske keine Probleme mehr.

[petra0103]

Hallo Eva,

das Leben im Jahr 2021 ist nicht einfach. Aber ich habe mir im Laufe der Jahre angewöhnt, immer das halb volle Glas zu sehen. Ich bin zufriedener und es macht das Leben auch wesentlich einfacher. Ein gutes Beispiel ist die Maske: sie hat mir bei meiner Entwicklung geholfen. Ich habe mir leichter getan, mit Maske die ersten Gehversuche en femme zu machen. Mittlerweile bin ich sicherer geworden und verzichte auf die Maske, wo es möglich ist. Mit Maske kann ich meine momentan noch vorhandenen Defizite beim Schminken besser verbergen. Anfang Januar habe ich Urlaub und in diesem Zeitraum habe ich einen Schminkkurs ausgemacht. Wieder ein kleiner Schritt. Mal sehen, was ich dann angehen werde. Die Körperpflege liegt mir sehr am Herzen.

Liebe Grüße
Petra

[Eva]

Es ist fast ein Jahr her, dass ich diesen Thread geschrieben habe, gefühlt, die Zeit seitdem kommt mir das aber viel länger vor 😊

Ich muss sagen, mittlerweile hat sich eine Normalität eingestellt. Ich empfinde nicht mehr dieses aufregende Herzrasen, wenn ich draußen bin, und es ist nicht mehr so ein großes Ereignis, auf das ich mich tagelang freue. Ich fühle mich einfach nur super wohl als Eva. Meist entscheide ich spontan, wie ich rausgehe. Alles immer noch mit Maske, da ich keine Lust habe, dass mir dumme Sprüche dieses Gefühl kaputt machen. Mittlerweile fällt man mit Coronamaske in der Fußgängerzone fast schon mehr auf, aber ich denke, die bleibt noch einige Jahre ein Accessoire, über das sich niemand wundert.

Ich habe gemerkt, dass ich auch hier im Forum deutlich rarer wurde. Das lag hauptsächlich am Sommer, der echt nichts für Eva ist. Aber je normaler das ganze wird, umso weniger denkt man darüber nach, sich regelmäßig darüber auszutauschen ...

Ich hoffe, euch geht"™s allen gut. Ich werde mal wieder öfter vorbeischauen 😊

[-=Tom=-]

Hallo Eva,

schön von Dir zu lesen. Toll das sich bei Dir so etwas wie "Normalität" eingestellt hat , somit kommt auch die Sicherheit mit dazu und die Lebensfreude wird größer. Du bist auf einem guten Weg, der trotz einiger "Rückschläge" sein Ziel finden wird. Es freut mich demnächst wieder mehr von Dir zu lesen.

Liebe Grüße

[Magdalena]

Liebe Eva,

ich bin erst jetzt auf Deinen Thread aufmerksam geworden. Und vieles kommt mir bekannt vor. Auch wenn es bei mir schon vor ein paar Jahren soweit war. Ich habe diese Zeit nie vergessen. Das Herzrasen, die Angst blöd angemacht zu werden und dumme Sprüche zu hören. Komische Blicke ja, mehr aber auch nicht. Heute sind die Menschen zwar nicht immer toleranter. Sie haben ihre eigen Sorgen und Probleme da werden wir weniger beachtet. Auch mein Outen war bisher immer positiv verlaufen. Und egal welchen Schritt du als nächstes gehst, erlebe es bewusst und genieße das Leben. Du musst Dich nicht verstecken.


Viele liebe Grüße von Magdalena

[kathrin84]

Hallo Liebe Eva,

darf ich Fragen ob etwas draus geworden ist, du als Eva das eine oder andere Event besucht hast, wie oben im ersten Post geschrieben? Wie hat sich das Verhältnis zu deinen Freundinnen und deinen Eltern langfristig eingependelt?
Ich finde deinen Outing werdegang noch immer wahnsinn und vor allem auch wahnsinnig Mutig von dir. Deine Threads haben schon vielen, auch mir, weiter geholfen. Ich würde mich freuen wieder mehr von dir lesen zu können.

Liebe Grüße Kathrin