Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI - # 8
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Er war sichtlich verdattert und nahm die Schlüssel und Papiere wortlos entgegen. Er fragte mich nicht, wie die Aktion gelaufen war. So ein Feigling!
"So, ich muss dann mal wieder", er verabschiedete mich und drängte mich förmlich hinaus.
Aber so leicht sollte er nicht davonkommen.
Ich schaute kurz bei der alten Dame vorbei, die sich freute, obwohl ich noch keine Fotos dabeihatte. "Ist nicht schlimm", sagte sie, "aber kannst Du mir einen anderen großen Gefallen tun?"
"Natürlich" sagte ich, ohne nachzudenken.
"Es ist aber ein wenig intim!"
Ich wunderte mich.
"Du müsstest mit mir ins Schlafzimmer kommen."
Sie wollte doch wohl nicht"¦
""¦ und könntest mir helfen, das Bett zu beziehen; ich kann so schlecht über die Matratze rübergreifen, um das Laken ordentlich in die Ecke zu stopfen! Früher habe ich das immer mit meinem Mann gemacht. Zu zweit geht es besser"
"Kein Problem!"
Im Nu hatten wir die Aufgabe erledigt.
Ich machte mich auf den Rückweg. Mit der alten Dame hatte ich mich für die nächsten Tage verabredet, um weitere Fotos zu machen und die ersten Abzüge vorbeizubringen.
Ich schaute in meinem Stamm-Kiosk vorbei, um nach neuen Zeitschriften zu fragen und Pfeifenfilter zu kaufen. Mir fielen gedruckte Plakate auf, die auf dem Tresen lagen und neben einem Logo der Zeitung auch noch ein großes "ZU VERKAUFEN" und einige Felder zum Selbsteintragen zeigten.
"Is"˜ vonner Zeitung", sagte der Kioskmann, "es fahren doch so viele in die Autokinos und wollen da ihre Karre zum Verkauf anbieten. So kann die Zeitung gleich ein wenig Werbung für sich machen.
kannst Du so etwas brauchen?"
"Ja", antwortete ich, "gib mal zwei, drei mit; ich glaube ein Bekannter von mir kann die brauchen!"
Er rollte die Plakate ein und streifte ein Gummiband über die Rolle.
"Kann ich sonst noch etwas für Dich tun?"
Das neue Foto-Magazin war noch nicht da, so verließ ich den Kiosk, ohne etwas zu kaufen. "Bis morgen oder übermorgen!" — die Türglocke übertönte seine Antwort.
Antje war nicht in meiner Wohnung — und das war auch gut so. Ich rührte in der Küche Entwickler und Fixierer für die Filme an und zog mich dann, als die Chemie gut aufgelöst war und die Flüssigkeiten die richtige Temperatur hatten, in mein kleines Bad zurück, das ich ganz verdunkeln konnte. Die Wohnungstür hatte ich abgeschlossen und den Schlüssel von innen steckengelassen. So konnte wohl niemand ohne Gewaltanwendung in die Wohnung kommen. Schließlich brauchte ich meine Ruhe. Das Einspulen der Filme war in völliger Dunkelheit eine etwas fummelige Angelegenheit und gerade der Film meiner Tante war aus widerspenstigem Material und sträubte sich zunächst gegen eine Aufnahme in die Spirale und rutschte immer wieder aus der "Mitnehmernase", wo man ihn einhaken sollte. Zuletzt klappte es dann doch noch.
Ich wählte eine mittlere Entwicklungszeit und hoffte, dass beide Filme damit gut und richtig bedient waren. Ich hatte einen kurzen Schlauch auf den Dosendeckel geschoben, der mit dem Wasserhahn verbunden war. So konnte ich nach dem Entwickeln gut spülen, bevor ich den Fixierer einfüllte.
Das abschließende Wässern der beiden Filme versüßte ich mir mit einem Kaffee und einer Zigarette.
Danach legte ich sie kurz in ein Bad, das die Filme widerstandsfähiger machen sollte und streifte die Nässe ab, indem ich die Filme zwischen Zeige- und Mittelfinger hindurchzog.
Ich hatte es eilig; deshalb nahm ich den Fön und blies die beiden Filme bei geringer Wärme trocken. Ich hatte sie auf einen Bügel gehängt und die unteren Enden mit einem Gewicht beschwert.
Entwickler und Fixierer füllte ich in die bereitstehenden Kanister; denn ich wollte sie aufheben, falls ich in den nächsten Tagen noch einmal darauf zurückgreifen sollte.
Nun musste ich alles für die Vergrößerungen vorbereiten. Ich ärgerte mich darüber, dass es so beengt war und ich improvisieren musste.
Einm war mir sogar eine volle Entwickler-Schale in die Duschwanne gedonnert.
Aber immerhin: hier konnte ich meine Abzüge machen, ohne dass mich jemand störte.
Die Fotos, die ich mit der Kamera meiner Tante gemacht hatte, waren von überraschend guter Qualität. Obwohl sie unter widrigen Umständen gemacht wurden, zeigten sie alle Details.
Sehr zufrieden war ich auch mit meinen Fotos, die ich vom Balkon der alten Dame gemacht hatte.
"Hinterhofidylle" fiel mir dazu ein.
Einige Abzüge machte ich doppelt, schließlich hatte ich versprochen, ihr Fotos mitzubringen.
Meine ganze Ausbeute legte ich auf Zeitungen zum Trocknen.
Bei einem Feierabendbier und einem Blick in meine Zeitungen und Zeitschriften hatte ich dann eine gute Idee für den nächsten Tag. Allerdings war ich mir durchaus bewusst, dass etliche Gefahren auf mich lauerten. Immer wieder war nachzulesen, welche geringen Anlässe dazu führten, nach dem Radikalenerlass "ausgemustert" zu werden.
Dabei mussten diese Anlässe nicht einmal der Wahrheit entsprechen — und oftmals waren sie konstruiert und kamen aus dem Reich der Fantasie.
So sind einige groteske Prozesse geführt worden; denn die "Angst" vor der "Gefahr von links" trieb seltsame Blüten, während das rechte Auge weitaus unempfindlicher war und oftmals durch zusätzliches Vorhalten der Hand absichtlich blind gemacht wurde. Ich musste endlich dafür sorgen, Braun loszuwerden, ohne selbst Schaden zu nehmen.
Lachen musste ich über einige Artikel aber auch. So schrieb der Stern, dass die DDR doch tatsächlich vorhatte, die "Sommerzeit" einzuführen. Dann hätten wir nicht nur zwei deutsche Staaten, sondern sogar unterschiedliche Zeiten.
"So"™n Quatsch", ich musste lachen.
Ich schaute mir noch einmal meinen kleinen Sender an und hatte kurz die Idee, Braun mit eigenen Waffen zu schlagen und abzuhören.
Mir fiel aber keine Methode ein, das kleine Gerät bei ihm unterzubringen. Den Gedanken, eine Tasche mit dem Sender bei ihm zu "vergessen"
verwarf ich recht schnell wieder; denn er rechnete vermutlich mit solchen Angriffen — nicht nur von mir und würde regelmäßig sein Umfeld kontrollieren.
"So, ich muss dann mal wieder", er verabschiedete mich und drängte mich förmlich hinaus.
Aber so leicht sollte er nicht davonkommen.
Ich schaute kurz bei der alten Dame vorbei, die sich freute, obwohl ich noch keine Fotos dabeihatte. "Ist nicht schlimm", sagte sie, "aber kannst Du mir einen anderen großen Gefallen tun?"
"Natürlich" sagte ich, ohne nachzudenken.
"Es ist aber ein wenig intim!"
Ich wunderte mich.
"Du müsstest mit mir ins Schlafzimmer kommen."
Sie wollte doch wohl nicht"¦
""¦ und könntest mir helfen, das Bett zu beziehen; ich kann so schlecht über die Matratze rübergreifen, um das Laken ordentlich in die Ecke zu stopfen! Früher habe ich das immer mit meinem Mann gemacht. Zu zweit geht es besser"
"Kein Problem!"
Im Nu hatten wir die Aufgabe erledigt.
Ich machte mich auf den Rückweg. Mit der alten Dame hatte ich mich für die nächsten Tage verabredet, um weitere Fotos zu machen und die ersten Abzüge vorbeizubringen.
Ich schaute in meinem Stamm-Kiosk vorbei, um nach neuen Zeitschriften zu fragen und Pfeifenfilter zu kaufen. Mir fielen gedruckte Plakate auf, die auf dem Tresen lagen und neben einem Logo der Zeitung auch noch ein großes "ZU VERKAUFEN" und einige Felder zum Selbsteintragen zeigten.
"Is"˜ vonner Zeitung", sagte der Kioskmann, "es fahren doch so viele in die Autokinos und wollen da ihre Karre zum Verkauf anbieten. So kann die Zeitung gleich ein wenig Werbung für sich machen.
kannst Du so etwas brauchen?"
"Ja", antwortete ich, "gib mal zwei, drei mit; ich glaube ein Bekannter von mir kann die brauchen!"
Er rollte die Plakate ein und streifte ein Gummiband über die Rolle.
"Kann ich sonst noch etwas für Dich tun?"
Das neue Foto-Magazin war noch nicht da, so verließ ich den Kiosk, ohne etwas zu kaufen. "Bis morgen oder übermorgen!" — die Türglocke übertönte seine Antwort.
Antje war nicht in meiner Wohnung — und das war auch gut so. Ich rührte in der Küche Entwickler und Fixierer für die Filme an und zog mich dann, als die Chemie gut aufgelöst war und die Flüssigkeiten die richtige Temperatur hatten, in mein kleines Bad zurück, das ich ganz verdunkeln konnte. Die Wohnungstür hatte ich abgeschlossen und den Schlüssel von innen steckengelassen. So konnte wohl niemand ohne Gewaltanwendung in die Wohnung kommen. Schließlich brauchte ich meine Ruhe. Das Einspulen der Filme war in völliger Dunkelheit eine etwas fummelige Angelegenheit und gerade der Film meiner Tante war aus widerspenstigem Material und sträubte sich zunächst gegen eine Aufnahme in die Spirale und rutschte immer wieder aus der "Mitnehmernase", wo man ihn einhaken sollte. Zuletzt klappte es dann doch noch.
Ich wählte eine mittlere Entwicklungszeit und hoffte, dass beide Filme damit gut und richtig bedient waren. Ich hatte einen kurzen Schlauch auf den Dosendeckel geschoben, der mit dem Wasserhahn verbunden war. So konnte ich nach dem Entwickeln gut spülen, bevor ich den Fixierer einfüllte.
Das abschließende Wässern der beiden Filme versüßte ich mir mit einem Kaffee und einer Zigarette.
Danach legte ich sie kurz in ein Bad, das die Filme widerstandsfähiger machen sollte und streifte die Nässe ab, indem ich die Filme zwischen Zeige- und Mittelfinger hindurchzog.
Ich hatte es eilig; deshalb nahm ich den Fön und blies die beiden Filme bei geringer Wärme trocken. Ich hatte sie auf einen Bügel gehängt und die unteren Enden mit einem Gewicht beschwert.
Entwickler und Fixierer füllte ich in die bereitstehenden Kanister; denn ich wollte sie aufheben, falls ich in den nächsten Tagen noch einmal darauf zurückgreifen sollte.
Nun musste ich alles für die Vergrößerungen vorbereiten. Ich ärgerte mich darüber, dass es so beengt war und ich improvisieren musste.
Einm war mir sogar eine volle Entwickler-Schale in die Duschwanne gedonnert.
Aber immerhin: hier konnte ich meine Abzüge machen, ohne dass mich jemand störte.
Die Fotos, die ich mit der Kamera meiner Tante gemacht hatte, waren von überraschend guter Qualität. Obwohl sie unter widrigen Umständen gemacht wurden, zeigten sie alle Details.
Sehr zufrieden war ich auch mit meinen Fotos, die ich vom Balkon der alten Dame gemacht hatte.
"Hinterhofidylle" fiel mir dazu ein.
Einige Abzüge machte ich doppelt, schließlich hatte ich versprochen, ihr Fotos mitzubringen.
Meine ganze Ausbeute legte ich auf Zeitungen zum Trocknen.
Bei einem Feierabendbier und einem Blick in meine Zeitungen und Zeitschriften hatte ich dann eine gute Idee für den nächsten Tag. Allerdings war ich mir durchaus bewusst, dass etliche Gefahren auf mich lauerten. Immer wieder war nachzulesen, welche geringen Anlässe dazu führten, nach dem Radikalenerlass "ausgemustert" zu werden.
Dabei mussten diese Anlässe nicht einmal der Wahrheit entsprechen — und oftmals waren sie konstruiert und kamen aus dem Reich der Fantasie.
So sind einige groteske Prozesse geführt worden; denn die "Angst" vor der "Gefahr von links" trieb seltsame Blüten, während das rechte Auge weitaus unempfindlicher war und oftmals durch zusätzliches Vorhalten der Hand absichtlich blind gemacht wurde. Ich musste endlich dafür sorgen, Braun loszuwerden, ohne selbst Schaden zu nehmen.
Lachen musste ich über einige Artikel aber auch. So schrieb der Stern, dass die DDR doch tatsächlich vorhatte, die "Sommerzeit" einzuführen. Dann hätten wir nicht nur zwei deutsche Staaten, sondern sogar unterschiedliche Zeiten.
"So"™n Quatsch", ich musste lachen.
Ich schaute mir noch einmal meinen kleinen Sender an und hatte kurz die Idee, Braun mit eigenen Waffen zu schlagen und abzuhören.
Mir fiel aber keine Methode ein, das kleine Gerät bei ihm unterzubringen. Den Gedanken, eine Tasche mit dem Sender bei ihm zu "vergessen"
verwarf ich recht schnell wieder; denn er rechnete vermutlich mit solchen Angriffen — nicht nur von mir und würde regelmäßig sein Umfeld kontrollieren.
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Hallo Anne-Mette,
Ich verschlinge förmlich die Geschichte, Spannung pur.
Ich warte schon auf die Fortsetzung.
LG Veronika
Ich verschlinge förmlich die Geschichte, Spannung pur.
Ich warte schon auf die Fortsetzung.
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Ich wurde zeitig wach und sah mir die Fotos an. Sie waren nicht schlecht, allerdings befanden sich auf einige kleine Abbildungen von Staub oder Fusseln. Ich hätte wohl die Halter für die Filmstreifen noch einmal prüfen sollen, auf denen sich manchmal feine Staubpartikel festsetzten.
Aber egal — an einer Ausstellung wollte ich mit den Fotos nicht teilnehmen.
Ich steckte die Bilder für die ältere Dame in einen größeren Umschlag und schützte sie mit einer passenden Pappe, die ich mit hineinlegte. Meine eigenen Fotos verschwanden in einem Ordner "Rezepte", den ich von meiner Mutter erhalten hatte.
Anschließend holte ich meine alte Schreibmaschine vom Schrank und spannte ein Papier ein.
Das Farbband war nicht mehr im "Bestzustand", aber trotzdem war gut zu lesen, was ich geschrieben hatte:
Ford Taunus zu verkaufen.
Zwei Jahre TÜV
500 Mark bar
Adresse (Hinterhof Moabit >Adresse von Braun<
Die "Zu-Verkaufen-Schilder", die ich von meinem Kumpel im Kiosk erhalten hatte, steckte ich auch in meine Arbeitstasche und machte mich auf den Weg nach Moabit.
Bei einem Bäcker erwarb ich ein paar Stücke "trockenen Kuchen" und ein halbes Pfund Kaffee.
Ich machte mir Gedanken, ob es vielleicht zu früh war, bei der alten Dame zu klingeln, verwarf ihn aber gleich wieder.
Richtig gedacht: sie öffnete mir fröhlich und guter Dinge und war schon angezogen.
"Ich habe die Bilder dabei", begrüßte ich sie, "und etwas Kaffee und ein Stückchen Kuchen.
Ich muss aber noch einmal kurz weg und etwas ganz hier in der Nähe abgeben. Wenn Sie uns Kaffee machen, dann haben wir es gleich gemütlich beim Bilderschauen!"
"Das wäre nicht nötig gewesen mit dem Kaffee", antwortete sie, "ich habe doch selbst Kaffee — und Sie haben doch schon die Fotos gemacht und damit Arbeit gehabt und Geld ausgegeben".
"Das war mir doch ein Vergnügen!" Sie ahnte nicht, dass es keine Höflichkeitsfloskel war, sondern ehrlich gemeint.
Sie schlurfte in die Küche und ich hörte Sie mit einem Kessel hantieren.
"Jungchen, nimm den Schlüssel mit", rief sie mir zu, "dann musst Du nicht klingeln, wenn Du zurückkommst".
Schnell war ich unten und schlich mich auf den Hof. Niemand war zu sehen. Ich nahm eines der "Zu- Verkaufen-Schilder und klemmte sie hinter die Scheibenwischer des Ford, der immer noch so stand, wie ich ihn geparkt hatte.
Dann zog ich mich zurück, ging durch den Vorflur — und schon stand ich auf der Turmstraße. Ganz in der Nähe war ich einmal in einem Lokal gewesen. Lokal war sicherlich nicht der richtige Ausdruck; in meinen Augen "türkisch aussehende Männer" saßen an kleinen runden Tischen, tranken Tee aus Gläsern, rauchten und lasen in Zeitungen mit Schriftzeichen, die ich nicht verstand.
Ich musste, als ich auf dem Weg zu U-Bahn war, dringend auf die Toilette — und so hatte ich den Mann am Eingang gefragt, der mich freundlich nach hinten durchwinkte, wo sich tatsächlich ein WC befand.
Mitten im Gastraum war mir eine große Säule aufgefallen, an der recht viele Zettel hingen, die mit Stecknadeln festgemacht waren. Es handelte sich um Wohnungsgesuche, Möbel wurden angeboten, ein "guter großer Schwarzweißfernseher" gesucht, Mitreisemöglichkeiten nach Ankara geboten"¦
Als ich von der Toilette zurückkam und wieder meinen Blick auf die Säule richtete, meinte einer der türkischen Männer zu mir: "Is"˜ gut, schnell Antwort, und kostet nix!" Ich nickte zustimmend.
Zu dem Zeitpunkt konnte und wollte ich den Dienst nicht nutzen, aber in der letzten Nacht war mir die Aushangmöglichkeit wieder eingefallen.
Ich suchte vier freie Stecknadeln und pinnte meine Ford-Verkaufsanzeige an.
Mit einem Kugelschreiber strich ich den Preis durch und schrieb "300 Mark" drüber.
Dann machte ich mich zügig auf den Weg zur alten Dame.
"Na, alles erledigt?"
"Ja", gab ich ihr zur Antwort, "ich glaube, jetzt wird es gemütlich".
""¦ oder spannend", dachte ich.
Ob mein Plan aufgehen würde?
Aber egal — an einer Ausstellung wollte ich mit den Fotos nicht teilnehmen.
Ich steckte die Bilder für die ältere Dame in einen größeren Umschlag und schützte sie mit einer passenden Pappe, die ich mit hineinlegte. Meine eigenen Fotos verschwanden in einem Ordner "Rezepte", den ich von meiner Mutter erhalten hatte.
Anschließend holte ich meine alte Schreibmaschine vom Schrank und spannte ein Papier ein.
Das Farbband war nicht mehr im "Bestzustand", aber trotzdem war gut zu lesen, was ich geschrieben hatte:
Ford Taunus zu verkaufen.
Zwei Jahre TÜV
500 Mark bar
Adresse (Hinterhof Moabit >Adresse von Braun<
Die "Zu-Verkaufen-Schilder", die ich von meinem Kumpel im Kiosk erhalten hatte, steckte ich auch in meine Arbeitstasche und machte mich auf den Weg nach Moabit.
Bei einem Bäcker erwarb ich ein paar Stücke "trockenen Kuchen" und ein halbes Pfund Kaffee.
Ich machte mir Gedanken, ob es vielleicht zu früh war, bei der alten Dame zu klingeln, verwarf ihn aber gleich wieder.
Richtig gedacht: sie öffnete mir fröhlich und guter Dinge und war schon angezogen.
"Ich habe die Bilder dabei", begrüßte ich sie, "und etwas Kaffee und ein Stückchen Kuchen.
Ich muss aber noch einmal kurz weg und etwas ganz hier in der Nähe abgeben. Wenn Sie uns Kaffee machen, dann haben wir es gleich gemütlich beim Bilderschauen!"
"Das wäre nicht nötig gewesen mit dem Kaffee", antwortete sie, "ich habe doch selbst Kaffee — und Sie haben doch schon die Fotos gemacht und damit Arbeit gehabt und Geld ausgegeben".
"Das war mir doch ein Vergnügen!" Sie ahnte nicht, dass es keine Höflichkeitsfloskel war, sondern ehrlich gemeint.
Sie schlurfte in die Küche und ich hörte Sie mit einem Kessel hantieren.
"Jungchen, nimm den Schlüssel mit", rief sie mir zu, "dann musst Du nicht klingeln, wenn Du zurückkommst".
Schnell war ich unten und schlich mich auf den Hof. Niemand war zu sehen. Ich nahm eines der "Zu- Verkaufen-Schilder und klemmte sie hinter die Scheibenwischer des Ford, der immer noch so stand, wie ich ihn geparkt hatte.
Dann zog ich mich zurück, ging durch den Vorflur — und schon stand ich auf der Turmstraße. Ganz in der Nähe war ich einmal in einem Lokal gewesen. Lokal war sicherlich nicht der richtige Ausdruck; in meinen Augen "türkisch aussehende Männer" saßen an kleinen runden Tischen, tranken Tee aus Gläsern, rauchten und lasen in Zeitungen mit Schriftzeichen, die ich nicht verstand.
Ich musste, als ich auf dem Weg zu U-Bahn war, dringend auf die Toilette — und so hatte ich den Mann am Eingang gefragt, der mich freundlich nach hinten durchwinkte, wo sich tatsächlich ein WC befand.
Mitten im Gastraum war mir eine große Säule aufgefallen, an der recht viele Zettel hingen, die mit Stecknadeln festgemacht waren. Es handelte sich um Wohnungsgesuche, Möbel wurden angeboten, ein "guter großer Schwarzweißfernseher" gesucht, Mitreisemöglichkeiten nach Ankara geboten"¦
Als ich von der Toilette zurückkam und wieder meinen Blick auf die Säule richtete, meinte einer der türkischen Männer zu mir: "Is"˜ gut, schnell Antwort, und kostet nix!" Ich nickte zustimmend.
Zu dem Zeitpunkt konnte und wollte ich den Dienst nicht nutzen, aber in der letzten Nacht war mir die Aushangmöglichkeit wieder eingefallen.
Ich suchte vier freie Stecknadeln und pinnte meine Ford-Verkaufsanzeige an.
Mit einem Kugelschreiber strich ich den Preis durch und schrieb "300 Mark" drüber.
Dann machte ich mich zügig auf den Weg zur alten Dame.
"Na, alles erledigt?"
"Ja", gab ich ihr zur Antwort, "ich glaube, jetzt wird es gemütlich".
""¦ oder spannend", dachte ich.
Ob mein Plan aufgehen würde?
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Wir waren gerade beim zweiten Stück Kuchen angelangt und hatten die dritte Tasse Kaffee "in Arbeit". Ich wusste inzwischen, dass sie Elisabeth hieß und sollte mir gerade ein Fotoalbum "Campingurlaub in Italien" (sehr schön handschriftlich auf die Außenhülle geschrieben) ansehen, das noch seinen Platz zwischen unseren Kuchenkrümeln auf der Wachstuchtischdecke finden sollte.
Doch ich bat sie, es noch einmal in die Hand zu nehmen, damit ich den Tisch abwischen konnte.
"Wäre schade drum", sagte ich ihr.
Unten im Hof wurde es laut — und immer lauter.
Sie guckte mich fragend an, sagte aber nichts.
"Vielleicht wird es noch lustig", sagte ich, "wir sollten uns auf den Balkon schleichen!"
Ich hatte nicht zu viel versprochen: ungefähr zwanzig (ich vermute mal) türkische Männer waren auf den Hof gekommen und bemühten sich um den Ford.
Es entstand ein Palaver, wer zuerst dagewesen war.
Das Auto wurde von außen in Augenschein genommen; denn es war abgeschlossen.
Zwei Männer rüttelten an den vorderen Rädern und wollten auf diese Art und Weise das Radlagerspiel prüfen. Einer benutzte eine Münze, um die Profiltiefe einzuschätzen. Einer kroch fast unter den Wagen und klopfte den Wagenboden ab. Ob er dabei das Geheimfach entdeckt hatte?
Ein Mann hatte einen Spiegel dabei und besah sich mit diesem die Schweller, bevor er sich von unten dem Motor widmete.
Ich ging kurz in die Wohnung und holte meine Kamera.
Auf die Auto-Interessenten hatte ich es weniger abgesehen, sondern"¦
"¦ ja, da erschien schon Braun — und war ziemlich aufgebracht. Er versuchte, die Männer vom Hof zu scheuchen, was ihm nicht gelang. Einer hatte inzwischen das "Zu-Verkaufen-Schild" unter den Scheibenwischerblättern hervorgeholt und hielt es ihm unter die Nase.
"Nix Verkaufen, Irrtum, Fehler, falsch"¦". Er überschlug sich förmlich mit Worten, aber die Männer wollten nicht abrücken.
Inzwischen wurde drüben, das musste bei seinem Büro sein, ein Fenster geöffnet; denn der Tumult war nicht unentdeckt geblieben. Es ergab sich ein lautstarker Wortwechsel zwischen Braun und dem Mann, der aus dem Fenster schaute.
Wütend wurde das Fenster zugeknallt.
Es dauerte nicht lange, da erschien der Mann, es war wieder der Anzugträger, den ich schon einmal gesehen hatte, unten auf dem Hof. Zusammen versuchten sie, die Kaufinteressenten zu "überzeugen", aber sie machten keine Anstalten, den Hof zu verlassen.
Ich machte fleißig Bilder von der Szene.
Knapp zehn Minuten später erschien noch ein Mann. Bestimmt hatte der Kollege von Braun ihn angerufen, bevor er auf den Hof gekommen war.
Der Mann schien türkisch zu sprechen. Er redete auf die Männer ein und sie beruhigten sich etwas.
Schließlich zog Braun seine Geldbörse hervor und gab einem der Kaufwilligen zwei Fünfzigmarkscheine. Er machte eine kreisende Handbewegung, die ich mit "eine kleine Entschädigung für alle" übersetzte.
Murrend zogen sich die Männer zurück.
Braun schaute sich auf dem Hof um, als hätte er sich die Frage gestellt: "wer hat mir das eingebrockt?"
Wie gut, dass wir auf dem Balkon nur einen Schritt zurücktreten mussten, um nicht mehr in seinem Sichtbereich zu sein.
Elisabeth fasste meinen Arm und meinte: "lass uns gehen".
Wir traten in die Wohnung.
Ganz leise verschloss ich die Balkontür und versuchte, das übliche Scheppern dieser alten Ausführung zu vermeiden.
"Nun haben wir uns erst einmal einen Schluck verdient!"
Elisabeth holte eine Flasche Likör aus dem Wohnzimmerschrank und zwei kleine Gläser.
Der Likör brannte im Hals — und ich war brennend daran interessiert, den Film möglichst bald zu entwickeln.
Ich gab Elisabeth die Fotos, die ich für sie dabeihatte, sagte ihr aber, wir sollten mit einem Brief an die Hausverwaltung noch warten, bis ich die neuen Fotos entwickelt hätte. Sie stimmte mir zu.
Auf einmal hatte ich es ziemlich eilig, musste nur einen "Absprung" finden.
Elisabeth hatte gemerkt, dass ich nervös war und fragte: "Du willst gehen, stimmt"™s?"
"Ja", gab ich zu, "ich möchte aber gern die Rückstände vom Kaffee hierlassen!"
Sie zeigte auf die Richtung, wo ich schon vorher das Bad vermutet hatte.
"Das gibt es nicht", dachte ich. Die Badewanne wurde von einem runden Kohlekessel bewacht.
Ich musste an die Wirtin denken und an ihre Worte: ""¦ und sonntags heize ich Ihnen den Badeofen an".
Nein danke!
Sehr froh war ich, dass ich hier die Toilette benutzen konnte; denn von der türkischen Teestube wollte ich mich erst einmal fernhalten.
Elisabeth war richtig süß: zum Abschied drückte sie mich fest, gab mir einen Kuss auf die Wange und meinte: "Junge, komm bald wieder!"
Über "Junge oder Nichtjunge" wollte ich nicht mit ihr diskutieren, aber ich versprach, in den nächsten Tagen wieder bei ihr vorbeizuschauen. Ich wählte einen anderen Weg zur U-Bahn, obwohl der weiter war.
Wie gut, dass ich Entwickler und Fixierer sowohl für Filme wie auch Abzüge aufgehoben hatte.
So konnte ich mich gleich an die Arbeit machen, als ich wieder in meiner Wohnung war.
Während der Film trocknete, ging ich hinunter zur Telefonzelle und rief auf der Insel im Büro des Notars an. Ich sagte, ich würde kurzfristig Fotos schicken. Der Notar sollte nachschauen, ob jemand, der auf den Fotos zu sehen war, meine Unterlagen unter Vorlage eines gefälschten Dienstausweises bei ihm abgeholt hatte.
Man versprach, mir zu helfen. Hörte ich etwas wie ein schlechtes Gewissen?
Doch ich bat sie, es noch einmal in die Hand zu nehmen, damit ich den Tisch abwischen konnte.
"Wäre schade drum", sagte ich ihr.
Unten im Hof wurde es laut — und immer lauter.
Sie guckte mich fragend an, sagte aber nichts.
"Vielleicht wird es noch lustig", sagte ich, "wir sollten uns auf den Balkon schleichen!"
Ich hatte nicht zu viel versprochen: ungefähr zwanzig (ich vermute mal) türkische Männer waren auf den Hof gekommen und bemühten sich um den Ford.
Es entstand ein Palaver, wer zuerst dagewesen war.
Das Auto wurde von außen in Augenschein genommen; denn es war abgeschlossen.
Zwei Männer rüttelten an den vorderen Rädern und wollten auf diese Art und Weise das Radlagerspiel prüfen. Einer benutzte eine Münze, um die Profiltiefe einzuschätzen. Einer kroch fast unter den Wagen und klopfte den Wagenboden ab. Ob er dabei das Geheimfach entdeckt hatte?
Ein Mann hatte einen Spiegel dabei und besah sich mit diesem die Schweller, bevor er sich von unten dem Motor widmete.
Ich ging kurz in die Wohnung und holte meine Kamera.
Auf die Auto-Interessenten hatte ich es weniger abgesehen, sondern"¦
"¦ ja, da erschien schon Braun — und war ziemlich aufgebracht. Er versuchte, die Männer vom Hof zu scheuchen, was ihm nicht gelang. Einer hatte inzwischen das "Zu-Verkaufen-Schild" unter den Scheibenwischerblättern hervorgeholt und hielt es ihm unter die Nase.
"Nix Verkaufen, Irrtum, Fehler, falsch"¦". Er überschlug sich förmlich mit Worten, aber die Männer wollten nicht abrücken.
Inzwischen wurde drüben, das musste bei seinem Büro sein, ein Fenster geöffnet; denn der Tumult war nicht unentdeckt geblieben. Es ergab sich ein lautstarker Wortwechsel zwischen Braun und dem Mann, der aus dem Fenster schaute.
Wütend wurde das Fenster zugeknallt.
Es dauerte nicht lange, da erschien der Mann, es war wieder der Anzugträger, den ich schon einmal gesehen hatte, unten auf dem Hof. Zusammen versuchten sie, die Kaufinteressenten zu "überzeugen", aber sie machten keine Anstalten, den Hof zu verlassen.
Ich machte fleißig Bilder von der Szene.
Knapp zehn Minuten später erschien noch ein Mann. Bestimmt hatte der Kollege von Braun ihn angerufen, bevor er auf den Hof gekommen war.
Der Mann schien türkisch zu sprechen. Er redete auf die Männer ein und sie beruhigten sich etwas.
Schließlich zog Braun seine Geldbörse hervor und gab einem der Kaufwilligen zwei Fünfzigmarkscheine. Er machte eine kreisende Handbewegung, die ich mit "eine kleine Entschädigung für alle" übersetzte.
Murrend zogen sich die Männer zurück.
Braun schaute sich auf dem Hof um, als hätte er sich die Frage gestellt: "wer hat mir das eingebrockt?"
Wie gut, dass wir auf dem Balkon nur einen Schritt zurücktreten mussten, um nicht mehr in seinem Sichtbereich zu sein.
Elisabeth fasste meinen Arm und meinte: "lass uns gehen".
Wir traten in die Wohnung.
Ganz leise verschloss ich die Balkontür und versuchte, das übliche Scheppern dieser alten Ausführung zu vermeiden.
"Nun haben wir uns erst einmal einen Schluck verdient!"
Elisabeth holte eine Flasche Likör aus dem Wohnzimmerschrank und zwei kleine Gläser.
Der Likör brannte im Hals — und ich war brennend daran interessiert, den Film möglichst bald zu entwickeln.
Ich gab Elisabeth die Fotos, die ich für sie dabeihatte, sagte ihr aber, wir sollten mit einem Brief an die Hausverwaltung noch warten, bis ich die neuen Fotos entwickelt hätte. Sie stimmte mir zu.
Auf einmal hatte ich es ziemlich eilig, musste nur einen "Absprung" finden.
Elisabeth hatte gemerkt, dass ich nervös war und fragte: "Du willst gehen, stimmt"™s?"
"Ja", gab ich zu, "ich möchte aber gern die Rückstände vom Kaffee hierlassen!"
Sie zeigte auf die Richtung, wo ich schon vorher das Bad vermutet hatte.
"Das gibt es nicht", dachte ich. Die Badewanne wurde von einem runden Kohlekessel bewacht.
Ich musste an die Wirtin denken und an ihre Worte: ""¦ und sonntags heize ich Ihnen den Badeofen an".
Nein danke!
Sehr froh war ich, dass ich hier die Toilette benutzen konnte; denn von der türkischen Teestube wollte ich mich erst einmal fernhalten.
Elisabeth war richtig süß: zum Abschied drückte sie mich fest, gab mir einen Kuss auf die Wange und meinte: "Junge, komm bald wieder!"
Über "Junge oder Nichtjunge" wollte ich nicht mit ihr diskutieren, aber ich versprach, in den nächsten Tagen wieder bei ihr vorbeizuschauen. Ich wählte einen anderen Weg zur U-Bahn, obwohl der weiter war.
Wie gut, dass ich Entwickler und Fixierer sowohl für Filme wie auch Abzüge aufgehoben hatte.
So konnte ich mich gleich an die Arbeit machen, als ich wieder in meiner Wohnung war.
Während der Film trocknete, ging ich hinunter zur Telefonzelle und rief auf der Insel im Büro des Notars an. Ich sagte, ich würde kurzfristig Fotos schicken. Der Notar sollte nachschauen, ob jemand, der auf den Fotos zu sehen war, meine Unterlagen unter Vorlage eines gefälschten Dienstausweises bei ihm abgeholt hatte.
Man versprach, mir zu helfen. Hörte ich etwas wie ein schlechtes Gewissen?
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- Geschlecht: W
- Pronomen: sie
- Wohnort (Name): Ringsberg
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- Hat sich bedankt: 88 Mal
- Danksagung erhalten: 1059 Mal
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Die Fotos waren klasse; "wie aus einem Film", dachte ich, konnte mich aber nicht entscheiden, ob Agentenfilm oder Komödie.
Am nächsten Morgen brachte ich den Brief an den Notar ganz früh zur Post. Ich war der erste Kunde.
"Einschreiben — Eilbrief", wählte ich, was mich ziemlich viel Geld kostete.
Es war der letzte Tag der Weihnachtsferien. Ich hatte das Gefühl, ich sollte diesen Tag nutzen, um bei Antje vorbeizuschauen.
Kurzentschlossen nahm ich die U-Bahn zum Fehrbelliner Platz.
Sie schien sich zu freuen, als sie mir die Tür öffnete.
So richtig weitergekommen war sie nicht mit ihrer Wohnung, meinte aber, wir sollten das gemeinsam machen: "schließlich sollst Du auch mitbestimmen, wenn Du hier wohnst!".
Ich nickte zustimmend, erkundigte mich aber erst einmal nach ihrem Befinden. "Nächste Woche habe ich einen neuen Termin beim Gynäkologen", sagte sie, "ich habe einen Abendtermin verlangt, damit Du mitkommen kannst".
So waren diese Weichen erst einmal gestellt.
Ich hatte das Gefühl, in einen neuen Zug zu steigen, ohne genau zu wissen, wohin der fahren würde. Auch begab ich mich nicht mit ganzem Herzen auf die Reise. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als würde und müsste ich vieles zurücklassen, was mir lieb gewesen war und mich auf ungewisse Zeiten einstellen.
Allerdings ist eine Reise auch immer eine Chance, Neues zu beginnen.
Wir überlegten gemeinsam, welche Möbel und Gegenstände aus meiner Wohnung mit einziehen sollten. Meinen Mietvertrag wollte ich noch für eine gewisse Weile bestehen lassen; so konnten wir uns etwas Zeit lassen.
Wir beschlossen, "einen kleinen Umzug" am nächsten Wochenende vorzunehmen.
Irgendwie vertrödelten wir den Tag, machten nur kurz eine Runde durch den Preußenpark und nahmen uns auf dem Rückweg etwas zum Abendbrot mit. "Bleib doch heute hier", lud Antje mich ein, "dann können wir schonmal Zusammenwohnen üben".
Ich hatte nichts dagegen.
Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf; denn ich musste aus meiner Wohnung Unterlagen für die Schule abholen, die ich dringend brauchte.
Wir sollten gleich zu Halbjahresbeginn unsere "Vornoten" diskutieren, die einige Wochen später durch die Prüfungsergebnisse ergänzt werden sollten.
Zuerst herrschte eine aufgeregte Atmosphäre — fast wie in einer "richtigen" Schule, in der der Unterricht nach den Ferien wieder beginnt. Wir hatten uns viel zu erzählen.
Dann wurde es erst einmal ruhiger — und ernst.
Schließlich gab es einen lauten Knall, den ich aber wohl als einziger Mensch im Raum wahrgenommen habe.
Was den Knall verursachte?
Unsere Gemeinschaft zerbarst!
"Kollektiv" und "Solidarität" — auf einmal Fremdworte!
Die Vorzensuren-Diskussion erwarb sich die Kategorie "mit Hauen und Stechen".
Nein — körperlich war diese Auseinandersetzung nicht, aber es wurde um jede Kommastelle gefeilscht und dabei "ich habe mehr gesagt, mehr gemacht, mehr beigetragen als "¦" in die Waagschale geworfen.
Ich war enttäuscht und entsetzt, besonders über das "als".
Dabei wollte ich nicht mitmachen. Ich sagte nicht viel dazu. Als unser Klassenlehrer meine Noten vortrug, nahm ich das "befriedigend", das ich in den meisten Fächern erhielt, einfach hin, ohne einen Versuch zu unternehmen, eine Verbesserung der Zensuren zu erstreiten.
Die letzten beiden Stunden ließ ich ausfallen und machte mich früh auf den Heimweg. Ich stürmte auf meinen Briefkasten zu und hoffte, schon eine Antwort vom Notar erhalten zu haben.
Nein - nichts im Kasten. Natürlich war meine Hoffnung nicht realistisch; denn ich hatte den Brief gerade erst abgeschickt — und fliegen konnte der nicht.
Was für ein blöder Tag!
Ich hatte das Gefühl, dass wieder jemand in der Wohnung gewesen war.
Eine schnelle Prüfung mit dem Empfänger gab keine Hinweise auf eine neue Wanze.
Auch befanden sich die Sachen, die ich besonders wichtig fand, noch an Ort und Stelle.
Allerdings hatte ich ein komisches Gefühl wegen der Waffe, die ich wieder in der Wartungsluke der Dusche aufbewahrt hatte.
Die konnte ich nicht mehr länger dort lassen. Schließlich war auch damit zu rechnen, dass Antje öfter mal hier auftauchte, "um schon mal ein paar Sachen zu holen oder etwas auszumessen".
Meine Bitten, so etwas mit mir zusammen zu machen, hatte sie stets ignoriert, was mich zunehmend ärgerte.
Die Waffe steckte ich in meine Tasche, die ich immer für meine Schulsachen nahm und platzierte sie in einem mit Reißverschluss abgeteilten Fach, das sicherlich für die gerade aufkommenden elektronischen Taschenrechner vorgesehen war.
Nun war mir etwas wohler, aber so richtig zufrieden war ich nicht.
Was wäre, wenn ich unterwegs in eine Kontrolle geraten würde?
Irgendwie wurde ich mein blödes Gefühl nicht los, das seit der Zensuren-Diskussion in mir brannte. "Einen Brand sollte man löschen", fiel mir ein, "sonst breitet er sich aus!"
Dummer Weise hatte ich kein Bier im Hause.
So machte ich mich auf zum Leierkastenmann. Elli saß am Tresen und hatte wohl auch schon ausgiebig "gelöscht". Ich setzte mich zu ihr.
"Was ist los mit Dir?" fragte ich sie.
So ganz rückte sie nicht raus mit der Sprache, aber es ging darum, dass sie immer noch Probleme mit den Angelegenheiten hatte, die ihr Braun eingebrockt hatte.
"Ich denke, ich habe so viel Material, dass ich ihm das Handwerk legen kann", tröstete ich sie, "ich warte nur noch auf einen wichtigen Brief. Wenn der Inhalt des Briefes so beschaffen ist, wie ich vermute und es mir wünsche, dann sind wir beide raus aus der Nummer!"
Doch Elli war nicht gerade optimistisch: "das hast Du schon einmal gesagt!"
"Die Situation hat sich geändert". Näher ging ich nicht darauf ein.
Inzwischen hatte der Wirt zwei volle Gläser vor uns hingestellt. Darauf folgte ein weiterer Durchgang. Beim dritten Doppel hatte ich langsam das Gefühl, es wäre genug.
Ich fasste in meine Jackentasche und wollte mit dem Kleingeld bezahlen, das ich dort immer lose bei mir trug.
Ein Zettel fiel mir auf, der sich in der Tasche versteckt hatte. Ein Einkaufs- oder Merkzettel?
"¦ oder vielleicht ein "Ich liebe Dich" einer schönen Unbekannten?
Nein, es war ein etwas zerknüllter Zwanzigmarkschein.
"Dann kannst Du auch noch einen ausgeben", meinte Elli, die gleich gesehen hatte, dass es kein Zettel war.
Leider hörte ich auf ihren Vorschlag.
Es wurde spät, sehr spät — und wir wurden schrecklich betrunken.
Der Wirt wollte Feierabend machen und bat uns höflich, zum Gelingen beizutragen: ""¦ nun seht zu, dass ihr nach Hause kommt!"
"Ich kann nicht nach Hause!"
Was ich erst für einen Witz hielt, erwies sich als Tatsache. Elli hatte ihren Schlüssel verloren oder vergessen. Jedenfalls war er nicht in ihren Taschen aufzufinden. Runtergefallen war er auch nicht. Die Suche konnten wir nicht weiter ausdehnen; denn der Wirt zog sich die Jacke an, machte das Licht aus und drängte uns sanft hinaus.
"Sucht morgen weiter — tschüss für heute" waren seine Abschiedsworte.
"Kann ich mit zu Dir?"
Eigentlich hatte ich keine Lust, eine volltrunkene Elli mitzunehmen, aber ich konnte sie dort nicht allein lassen. Dabei: ich brauchte mich nicht über sie zu erheben; mein Pegelstand erreichte eine ähnliche Höhe.
"Na komm!"
Wir hakten uns unter und wankten das kurze Stück bis zu dem Haus, in dem ich noch wohnte.
Das Besteigen der Treppe war etwas beschwerlich . Wir konnten froh sein, dass das Treppengeländer einen stabilen Eindruck machte. Trotzdem knackte es manchmal in den Fugen, wenn wir es zu sehr in Anspruch nahmen.
Elli verschwand erst einmal im Bad.
"Mach hinne", rief ich ihr zu, "ich muss auch mal!"
Gerade noch geschafft.
Elli war noch ziemlich aufgedreht und fragte mich, ob ich noch meine "Frauensachen" hätte.
"Da muss ich erst mal gucken", wollte ich sie abwimmeln, aber sie blieb beharrlich.
Ich tat ihr den Gefallen, wühlte in allen Schubladen, bis ich ein paar Sachen in der Hand hielt.
"Ausziehen, Anziehen, Ausziehen, Anziehen", skandierte Elli.
Sollte ich?
Elli guckte in den Kühlschrank und fand die Flasche Sekt, die ich dort verwahrte.
Ungefragt öffnete sie die Flasche und schenkte uns ein. Sektgläser hatte ich nicht; aber aus den Senfgläsern schmeckte der Sekt genauso gut.
"Eigentlich hätte ich lieber Gänsewein trinken sollen" dachte ich.
Nur mit Mühe gelang es mir, mich umzuziehen.
"Und nun?" fragte ich Elli, "zufrieden?"
Sie sah schon nicht mehr hin, sondern ihr Kopf sackte immer wieder vorneüber. Davon wurde sie wieder wach, aber schlief sofort wieder ein. Es wurde Zeit, ins Bett zu gehen. Auch ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten.
Das Sofa war für Übernachtungszwecke nicht geeignet.
So dirigierte ich Elli ins Schlafzimmer.
Sie ließ sich auf das Bett fallen, dass die Federn knackten. Sie konnte sich nicht mehr allein ausziehen.
So streifte ich ihr die Hose von den Beinen und zog den Pullover über den Kopf. Sie war ganz schön "sperrig". Außerdem fiel sie immer wieder auf das Bett und ich musste sie von neuem aufrichten.
Wie sie so in Unterwäsche vor mir lag, musste ich an die Pornofilme denken, deren Entstehung ich in Dänemark einmal verfolgt hatte.
Aber es waren unklare Gedanken, die sich nicht ordnen ließen. Ich war einfach zu betrunken, um einen klaren Gedanken fassen zu können.
Ich zog und schob Elli weiter auf das Bett. Dann zog ich den Rock wieder aus, den ich nur angezogen hatte, weil Elli so gedrängelt hatte.
Die Unterwäsche behielt ich an.
Etwas neidisch schaute ich auf meine Bettnachbarin. Ihr BH war richtig gut gefüllt, während meiner einen traurigen Eindruck machte wie ein Fußball, der seine Luft verloren hat.
Immerhin schlief ich bald ein, träumte allerdings wild und durcheinander.
Die Wohnungsdurchsuchung, die schon einige Zeit zurücklag, erlebte ich im Traum noch einmal neu.
Leider hatte dieser Traum einen realen Hintergrund: deutlich hörte ich, als ich endlich wach wurde, wie jemand die Wohnungstür aufschloss.
Elli atmete ganz ruhig und bekam davon nichts mit.
Am nächsten Morgen brachte ich den Brief an den Notar ganz früh zur Post. Ich war der erste Kunde.
"Einschreiben — Eilbrief", wählte ich, was mich ziemlich viel Geld kostete.
Es war der letzte Tag der Weihnachtsferien. Ich hatte das Gefühl, ich sollte diesen Tag nutzen, um bei Antje vorbeizuschauen.
Kurzentschlossen nahm ich die U-Bahn zum Fehrbelliner Platz.
Sie schien sich zu freuen, als sie mir die Tür öffnete.
So richtig weitergekommen war sie nicht mit ihrer Wohnung, meinte aber, wir sollten das gemeinsam machen: "schließlich sollst Du auch mitbestimmen, wenn Du hier wohnst!".
Ich nickte zustimmend, erkundigte mich aber erst einmal nach ihrem Befinden. "Nächste Woche habe ich einen neuen Termin beim Gynäkologen", sagte sie, "ich habe einen Abendtermin verlangt, damit Du mitkommen kannst".
So waren diese Weichen erst einmal gestellt.
Ich hatte das Gefühl, in einen neuen Zug zu steigen, ohne genau zu wissen, wohin der fahren würde. Auch begab ich mich nicht mit ganzem Herzen auf die Reise. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als würde und müsste ich vieles zurücklassen, was mir lieb gewesen war und mich auf ungewisse Zeiten einstellen.
Allerdings ist eine Reise auch immer eine Chance, Neues zu beginnen.
Wir überlegten gemeinsam, welche Möbel und Gegenstände aus meiner Wohnung mit einziehen sollten. Meinen Mietvertrag wollte ich noch für eine gewisse Weile bestehen lassen; so konnten wir uns etwas Zeit lassen.
Wir beschlossen, "einen kleinen Umzug" am nächsten Wochenende vorzunehmen.
Irgendwie vertrödelten wir den Tag, machten nur kurz eine Runde durch den Preußenpark und nahmen uns auf dem Rückweg etwas zum Abendbrot mit. "Bleib doch heute hier", lud Antje mich ein, "dann können wir schonmal Zusammenwohnen üben".
Ich hatte nichts dagegen.
Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf; denn ich musste aus meiner Wohnung Unterlagen für die Schule abholen, die ich dringend brauchte.
Wir sollten gleich zu Halbjahresbeginn unsere "Vornoten" diskutieren, die einige Wochen später durch die Prüfungsergebnisse ergänzt werden sollten.
Zuerst herrschte eine aufgeregte Atmosphäre — fast wie in einer "richtigen" Schule, in der der Unterricht nach den Ferien wieder beginnt. Wir hatten uns viel zu erzählen.
Dann wurde es erst einmal ruhiger — und ernst.
Schließlich gab es einen lauten Knall, den ich aber wohl als einziger Mensch im Raum wahrgenommen habe.
Was den Knall verursachte?
Unsere Gemeinschaft zerbarst!
"Kollektiv" und "Solidarität" — auf einmal Fremdworte!
Die Vorzensuren-Diskussion erwarb sich die Kategorie "mit Hauen und Stechen".
Nein — körperlich war diese Auseinandersetzung nicht, aber es wurde um jede Kommastelle gefeilscht und dabei "ich habe mehr gesagt, mehr gemacht, mehr beigetragen als "¦" in die Waagschale geworfen.
Ich war enttäuscht und entsetzt, besonders über das "als".
Dabei wollte ich nicht mitmachen. Ich sagte nicht viel dazu. Als unser Klassenlehrer meine Noten vortrug, nahm ich das "befriedigend", das ich in den meisten Fächern erhielt, einfach hin, ohne einen Versuch zu unternehmen, eine Verbesserung der Zensuren zu erstreiten.
Die letzten beiden Stunden ließ ich ausfallen und machte mich früh auf den Heimweg. Ich stürmte auf meinen Briefkasten zu und hoffte, schon eine Antwort vom Notar erhalten zu haben.
Nein - nichts im Kasten. Natürlich war meine Hoffnung nicht realistisch; denn ich hatte den Brief gerade erst abgeschickt — und fliegen konnte der nicht.
Was für ein blöder Tag!
Ich hatte das Gefühl, dass wieder jemand in der Wohnung gewesen war.
Eine schnelle Prüfung mit dem Empfänger gab keine Hinweise auf eine neue Wanze.
Auch befanden sich die Sachen, die ich besonders wichtig fand, noch an Ort und Stelle.
Allerdings hatte ich ein komisches Gefühl wegen der Waffe, die ich wieder in der Wartungsluke der Dusche aufbewahrt hatte.
Die konnte ich nicht mehr länger dort lassen. Schließlich war auch damit zu rechnen, dass Antje öfter mal hier auftauchte, "um schon mal ein paar Sachen zu holen oder etwas auszumessen".
Meine Bitten, so etwas mit mir zusammen zu machen, hatte sie stets ignoriert, was mich zunehmend ärgerte.
Die Waffe steckte ich in meine Tasche, die ich immer für meine Schulsachen nahm und platzierte sie in einem mit Reißverschluss abgeteilten Fach, das sicherlich für die gerade aufkommenden elektronischen Taschenrechner vorgesehen war.
Nun war mir etwas wohler, aber so richtig zufrieden war ich nicht.
Was wäre, wenn ich unterwegs in eine Kontrolle geraten würde?
Irgendwie wurde ich mein blödes Gefühl nicht los, das seit der Zensuren-Diskussion in mir brannte. "Einen Brand sollte man löschen", fiel mir ein, "sonst breitet er sich aus!"
Dummer Weise hatte ich kein Bier im Hause.
So machte ich mich auf zum Leierkastenmann. Elli saß am Tresen und hatte wohl auch schon ausgiebig "gelöscht". Ich setzte mich zu ihr.
"Was ist los mit Dir?" fragte ich sie.
So ganz rückte sie nicht raus mit der Sprache, aber es ging darum, dass sie immer noch Probleme mit den Angelegenheiten hatte, die ihr Braun eingebrockt hatte.
"Ich denke, ich habe so viel Material, dass ich ihm das Handwerk legen kann", tröstete ich sie, "ich warte nur noch auf einen wichtigen Brief. Wenn der Inhalt des Briefes so beschaffen ist, wie ich vermute und es mir wünsche, dann sind wir beide raus aus der Nummer!"
Doch Elli war nicht gerade optimistisch: "das hast Du schon einmal gesagt!"
"Die Situation hat sich geändert". Näher ging ich nicht darauf ein.
Inzwischen hatte der Wirt zwei volle Gläser vor uns hingestellt. Darauf folgte ein weiterer Durchgang. Beim dritten Doppel hatte ich langsam das Gefühl, es wäre genug.
Ich fasste in meine Jackentasche und wollte mit dem Kleingeld bezahlen, das ich dort immer lose bei mir trug.
Ein Zettel fiel mir auf, der sich in der Tasche versteckt hatte. Ein Einkaufs- oder Merkzettel?
"¦ oder vielleicht ein "Ich liebe Dich" einer schönen Unbekannten?
Nein, es war ein etwas zerknüllter Zwanzigmarkschein.
"Dann kannst Du auch noch einen ausgeben", meinte Elli, die gleich gesehen hatte, dass es kein Zettel war.
Leider hörte ich auf ihren Vorschlag.
Es wurde spät, sehr spät — und wir wurden schrecklich betrunken.
Der Wirt wollte Feierabend machen und bat uns höflich, zum Gelingen beizutragen: ""¦ nun seht zu, dass ihr nach Hause kommt!"
"Ich kann nicht nach Hause!"
Was ich erst für einen Witz hielt, erwies sich als Tatsache. Elli hatte ihren Schlüssel verloren oder vergessen. Jedenfalls war er nicht in ihren Taschen aufzufinden. Runtergefallen war er auch nicht. Die Suche konnten wir nicht weiter ausdehnen; denn der Wirt zog sich die Jacke an, machte das Licht aus und drängte uns sanft hinaus.
"Sucht morgen weiter — tschüss für heute" waren seine Abschiedsworte.
"Kann ich mit zu Dir?"
Eigentlich hatte ich keine Lust, eine volltrunkene Elli mitzunehmen, aber ich konnte sie dort nicht allein lassen. Dabei: ich brauchte mich nicht über sie zu erheben; mein Pegelstand erreichte eine ähnliche Höhe.
"Na komm!"
Wir hakten uns unter und wankten das kurze Stück bis zu dem Haus, in dem ich noch wohnte.
Das Besteigen der Treppe war etwas beschwerlich . Wir konnten froh sein, dass das Treppengeländer einen stabilen Eindruck machte. Trotzdem knackte es manchmal in den Fugen, wenn wir es zu sehr in Anspruch nahmen.
Elli verschwand erst einmal im Bad.
"Mach hinne", rief ich ihr zu, "ich muss auch mal!"
Gerade noch geschafft.
Elli war noch ziemlich aufgedreht und fragte mich, ob ich noch meine "Frauensachen" hätte.
"Da muss ich erst mal gucken", wollte ich sie abwimmeln, aber sie blieb beharrlich.
Ich tat ihr den Gefallen, wühlte in allen Schubladen, bis ich ein paar Sachen in der Hand hielt.
"Ausziehen, Anziehen, Ausziehen, Anziehen", skandierte Elli.
Sollte ich?
Elli guckte in den Kühlschrank und fand die Flasche Sekt, die ich dort verwahrte.
Ungefragt öffnete sie die Flasche und schenkte uns ein. Sektgläser hatte ich nicht; aber aus den Senfgläsern schmeckte der Sekt genauso gut.
"Eigentlich hätte ich lieber Gänsewein trinken sollen" dachte ich.
Nur mit Mühe gelang es mir, mich umzuziehen.
"Und nun?" fragte ich Elli, "zufrieden?"
Sie sah schon nicht mehr hin, sondern ihr Kopf sackte immer wieder vorneüber. Davon wurde sie wieder wach, aber schlief sofort wieder ein. Es wurde Zeit, ins Bett zu gehen. Auch ich konnte mich kaum noch auf den Beinen halten.
Das Sofa war für Übernachtungszwecke nicht geeignet.
So dirigierte ich Elli ins Schlafzimmer.
Sie ließ sich auf das Bett fallen, dass die Federn knackten. Sie konnte sich nicht mehr allein ausziehen.
So streifte ich ihr die Hose von den Beinen und zog den Pullover über den Kopf. Sie war ganz schön "sperrig". Außerdem fiel sie immer wieder auf das Bett und ich musste sie von neuem aufrichten.
Wie sie so in Unterwäsche vor mir lag, musste ich an die Pornofilme denken, deren Entstehung ich in Dänemark einmal verfolgt hatte.
Aber es waren unklare Gedanken, die sich nicht ordnen ließen. Ich war einfach zu betrunken, um einen klaren Gedanken fassen zu können.
Ich zog und schob Elli weiter auf das Bett. Dann zog ich den Rock wieder aus, den ich nur angezogen hatte, weil Elli so gedrängelt hatte.
Die Unterwäsche behielt ich an.
Etwas neidisch schaute ich auf meine Bettnachbarin. Ihr BH war richtig gut gefüllt, während meiner einen traurigen Eindruck machte wie ein Fußball, der seine Luft verloren hat.
Immerhin schlief ich bald ein, träumte allerdings wild und durcheinander.
Die Wohnungsdurchsuchung, die schon einige Zeit zurücklag, erlebte ich im Traum noch einmal neu.
Leider hatte dieser Traum einen realen Hintergrund: deutlich hörte ich, als ich endlich wach wurde, wie jemand die Wohnungstür aufschloss.
Elli atmete ganz ruhig und bekam davon nichts mit.
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
oh-oh.... wenn das mal gut geht! Schön,daß du wieder eine Fortsetzung deiner Geschichte verfaßt hast. Bis demnächst... dann wieder bei euch im Norden.Anne-Mette hat geschrieben:deutlich hörte ich, als ich endlich wach wurde, wie jemand die Wohnungstür aufschloss.
LG Bianca
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Moin,
Gruß
Anne-Mette
Ich ertappte mich dabei, dass ich Elli mal wieder weit weg wünschte; aber tat ich ihr damit nicht unrecht?
Irgendwie befürchtete ich Ärger — oder sogar Schlimmeres.
Meine Gedanken kamen recht langsam auf Touren. Ich blickte auf den Wecker, dessen zuverlässiges, aber in schlaflosen Nächten nerviges Ticken sich von drohenden Ereignissen nicht beeinflussen ließ.
Der Sekundenzeiger macht unbeeindruckt seine Runden.
Viertel nach zehn; spät, zu spät für den ersten Block in der Schule.
Die würden aber nicht gleich jemanden schicken. Ich hatte mich schon oft verspätet oder die ersten beiden Stunden eigenmächtig ausfallen lassen.
Außerdem hatte keiner meiner MitschülerInnen einen Schlüssel.
Ich tat es einem kleinen Kind gleich und zog die Bettdecke bist unter"™s Kinn, obwohl ich inzwischen ins Schwitzten gekommen war.
Davon wurde Elli wach, schob die Decke ein wenig von sich weg und rekelte sich.
"Guten Morgen!"
Sie lächelte mich an.
Ich kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten; denn ein Sturmwind brach über uns herein, der eine Menge Wut, Enttäuschung und falsche Anschuldigungen mit sich brachte.
Eine Gestalt hatte sich vor dem Bett aufgebaut. Für eine Flucht war es zu spät. Die Schlafnische, die durch das Bett fast ausgefüllt wurde, hatte kein Fenster nach hinten — und nach vorn war uns ein Fluchtweg versperrt.
Auch wären ein Ausstieg und eine Flucht über den Hof aus dem vierten Stock zu gefährlich gewesen.
Alles das schoss mir durch den Kopf, während die Gestalt langsam Konturen annahm.
Es war Antje — und ich freute mich nicht gerade, sie zu sehen.
Sie schimpfte wie ein Rohrspatz.
Dann zog sie uns auch noch die Decke weg und offenbarte, dass ich immer noch Frauenunterwäsche trug. Ich wollte mir die Decke wieder greifen, um nicht so ganz schutzlos zu sein.
Dabei fielen die Einlagen aus dem BH.
Antje lachte höhnisch.
Sie war außer sich vor Wut und griff sich alle Gegenstände, die in ihrer Nähe waren. Sie warf damit nach uns, suchte aber noch etwas, das ihr geeigneter erschien. Sie blickte sich um"¦
"¦ und entdeckte den großen, zusammengefalteten Regenschirm, der an der Seitenwand des Kleiderschrankes hing. Ein Schritt — und sie hielt ihn in den Händen.
Sie schlug nach uns. Sie hatte so eine schreckliche Wut, dass das Drahtgestell des Regenschirmes kaputt ging und die dünnen Arme traurig in ihren vernieteten Verbindungen hingen.
Schließlich drehte sie den Schirm um, sodass sie jetzt das Ende in der Hand hielt und uns mit dem Holzgriff zu treffen versuchte. Ich beugte mich vor und wollte sie beruhigen, aber sie achtete nicht darauf und traf mich mit dem Holzgriff voll an der Stirn. Blut floss und tropfte auf die Bettdecke.
Sie färbte sich rot.
Ich sank in mich zusammen, war halb weggetreten, hörte diffuse Schreie.
Nicht nur Antje schrie, sondern auch Elli.
Schritte.
Ein Knall.
Stille.
Jemand hielt mich im Arm und tupfte mir die Stirn ab.
Ich versuchte, dankbar zu lächeln, aber meine Augenlieder waren vom Blut verklebt.
"Moment". Das war Ellis Stimme.
Sie kam wieder mit einem feuchten Tuch.
Bald war ich einigermaßen wiederhergestellt.
Ein großes Pflaster "zierte" meine Stirn.
"Ist sie weg?" fragte ich.
"Ja", antwortete Elli, hast Du nicht gehört, wie sie die Tür zugeknallt hat?
Hast Du schon einen Zeitplan?Bis demnächst... dann wieder bei euch im Norden.
Gruß
Anne-Mette
Ich ertappte mich dabei, dass ich Elli mal wieder weit weg wünschte; aber tat ich ihr damit nicht unrecht?
Irgendwie befürchtete ich Ärger — oder sogar Schlimmeres.
Meine Gedanken kamen recht langsam auf Touren. Ich blickte auf den Wecker, dessen zuverlässiges, aber in schlaflosen Nächten nerviges Ticken sich von drohenden Ereignissen nicht beeinflussen ließ.
Der Sekundenzeiger macht unbeeindruckt seine Runden.
Viertel nach zehn; spät, zu spät für den ersten Block in der Schule.
Die würden aber nicht gleich jemanden schicken. Ich hatte mich schon oft verspätet oder die ersten beiden Stunden eigenmächtig ausfallen lassen.
Außerdem hatte keiner meiner MitschülerInnen einen Schlüssel.
Ich tat es einem kleinen Kind gleich und zog die Bettdecke bist unter"™s Kinn, obwohl ich inzwischen ins Schwitzten gekommen war.
Davon wurde Elli wach, schob die Decke ein wenig von sich weg und rekelte sich.
"Guten Morgen!"
Sie lächelte mich an.
Ich kam nicht mehr dazu, ihr zu antworten; denn ein Sturmwind brach über uns herein, der eine Menge Wut, Enttäuschung und falsche Anschuldigungen mit sich brachte.
Eine Gestalt hatte sich vor dem Bett aufgebaut. Für eine Flucht war es zu spät. Die Schlafnische, die durch das Bett fast ausgefüllt wurde, hatte kein Fenster nach hinten — und nach vorn war uns ein Fluchtweg versperrt.
Auch wären ein Ausstieg und eine Flucht über den Hof aus dem vierten Stock zu gefährlich gewesen.
Alles das schoss mir durch den Kopf, während die Gestalt langsam Konturen annahm.
Es war Antje — und ich freute mich nicht gerade, sie zu sehen.
Sie schimpfte wie ein Rohrspatz.
Dann zog sie uns auch noch die Decke weg und offenbarte, dass ich immer noch Frauenunterwäsche trug. Ich wollte mir die Decke wieder greifen, um nicht so ganz schutzlos zu sein.
Dabei fielen die Einlagen aus dem BH.
Antje lachte höhnisch.
Sie war außer sich vor Wut und griff sich alle Gegenstände, die in ihrer Nähe waren. Sie warf damit nach uns, suchte aber noch etwas, das ihr geeigneter erschien. Sie blickte sich um"¦
"¦ und entdeckte den großen, zusammengefalteten Regenschirm, der an der Seitenwand des Kleiderschrankes hing. Ein Schritt — und sie hielt ihn in den Händen.
Sie schlug nach uns. Sie hatte so eine schreckliche Wut, dass das Drahtgestell des Regenschirmes kaputt ging und die dünnen Arme traurig in ihren vernieteten Verbindungen hingen.
Schließlich drehte sie den Schirm um, sodass sie jetzt das Ende in der Hand hielt und uns mit dem Holzgriff zu treffen versuchte. Ich beugte mich vor und wollte sie beruhigen, aber sie achtete nicht darauf und traf mich mit dem Holzgriff voll an der Stirn. Blut floss und tropfte auf die Bettdecke.
Sie färbte sich rot.
Ich sank in mich zusammen, war halb weggetreten, hörte diffuse Schreie.
Nicht nur Antje schrie, sondern auch Elli.
Schritte.
Ein Knall.
Stille.
Jemand hielt mich im Arm und tupfte mir die Stirn ab.
Ich versuchte, dankbar zu lächeln, aber meine Augenlieder waren vom Blut verklebt.
"Moment". Das war Ellis Stimme.
Sie kam wieder mit einem feuchten Tuch.
Bald war ich einigermaßen wiederhergestellt.
Ein großes Pflaster "zierte" meine Stirn.
"Ist sie weg?" fragte ich.
"Ja", antwortete Elli, hast Du nicht gehört, wie sie die Tür zugeknallt hat?
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Moin Anne-Mette,Anne-Mette hat geschrieben:Hast Du schon einen Zeitplan?
ja, ab Pfingstmontag zwei Wochen. Hoffentlich spielt das Wetter mit.
Bis denne...
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Hallo Anne-Mette
ich bin zwar noch nicht lange hier im Forum angemeldet, baer deine Geschichte lese ich schon seit längerem. Immer wieder toll, wie du die Wendungen des Lebens hier beschreibst. Ich freue mich schon auf weitere Fortsetzungen.
Liebe Grüße, Diana
ich bin zwar noch nicht lange hier im Forum angemeldet, baer deine Geschichte lese ich schon seit längerem. Immer wieder toll, wie du die Wendungen des Lebens hier beschreibst. Ich freue mich schon auf weitere Fortsetzungen.
Liebe Grüße, Diana
Ich bin und bleibe ich.
Und ... genieße mein neues Leben.
Und ... genieße mein neues Leben.
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
DANKE für die Grüße und Aufmunterungen
Elli verschwand in der Küche.
Sie kam wieder mit zwei Gläsern Sekt und sagte auffordernd: "heute sollten wir ganz viel saufen!"
Sie hatte wohl die angebrochene Flasche im Kühlschrank entdeckt und sich bedient.
Ich lehnte ab: "Du siehst, was bei unserer gestrigen Sauferei herausgekommen ist!
Wir schauen gleich mal beim Leierkastenmann vorbei. Mag sein, dass da schon jemand ist zum Saubermachen, dann suchen wir Deinen Schlüssel".
So ganz einverstanden war Elli nicht und stürzte den Inhalt beider Gläser hinunter.
Ich schüttelte mich, hinein in den nüchternen Magen, das könnte ich bestimmt nicht — und das wollte ich auch nicht.
Elli schien es aufzumuntern.
"Du solltest Deine Bettwäsche erst einmal einweichen und möglichst bald waschen", gab sie mir zu bedenken. Ich holte einen Wassereimer, zog das Bett ab und steckte die blutgetränkten Teile hinein. Etwas Waschmittel tat ich hinzu und füllte mit warmem Wasser auf.
Das Blut löste sich — und ich verfolgte die Bildung von verlaufenden Mustern auf der Wasseroberfläche. Ich musste an "Experimente" denken, die wir als jüngere Schüler mit Tinte und Wasser durchgeführt hatten. Außerdem tropften wir gerne einen größeren Tintenklecks genau in den Knick eines gefalteten Papieres und bewunderten die entstehenden Muster.
Oft rissen wir dazu ein Papier aus unseren Schulheften — und meine Mutter wunderte sich, dass die Hefte immer dünner wurden.
Ich rührte im Eimer herum; die Muster verschwanden.
Das Wasser bekam eine durchgängige hellrote Farbe.
"Da hat aber jemand heftig seine Tage gehabt", war der trockene Kommentar von Elli.
Ich spülte die Wäsche ein paar Mal durch. Sie wurde fast sauber.
Von den Blutflecken war nicht mehr viel zu sehen.
"Hast Du noch mehr Schmutzwäsche?" fragte Elli, "in der Straße vom Leierkastenmann gibt"™s einen Waschsalon. Dann könnten wir waschen, so lange wir den Schlüssel suchen!"
Das war eine gute Idee.
Ich packte einige Sachen zusammen.
Wir konnten endlich aufbrechen.
Ich fütterte die Maschine mit meiner Wäsche und Waschmittel.
Als die Trommel sich in Bewegung setzte, meinte Elli: "nun haben wir eine ¾ Stunde Zeit!"
Tatsächlich war schon jemand am Putzen, als wir an die Tür des Leierkastenmannes klopften.
Eine ältere Frau kam und herrschte uns an: "Verp**** euch, es gibt noch nischt!"
Als wir unser Anliegen erklärten, wurde ihr Gesichtsausdruck etwas milder. "Na gut, dann kommt rinn, aber der Bierhahn bleibt zu!"
Ich wunderte mich, dass wir den Schlüssel nicht schon am Abend vorher gefunden hatten; denn er war lediglich hinuntergefallen und steckte, relativ gut zu sehen, in einem Spalt zwischen Schutzleiste und Thekenverkleidung. Fast sah es aus, als hätte ihn jemand mit Absicht dort hineingesteckt.
Wir bedankten uns bei der Reinigungskraft und verließen das Lokal. Dabei ging es uns wesentlich besser als am letzten Abend.
Elli verabschiedete sich. Sie wollte gleich in ihre Wohnung gehen.
Ich kaufte mir eine Zeitung und setzte mich in den Waschsalon. Als die Waschmaschine endlich fertig war, wanderte die Wäsche in eine Schleuder. Für die musste ich auch noch einmal fünfzig Pfennige einstecken.
Endlich konnte ich alles in den Trockner stecken, der sogar eine Mark verlangte. Dafür konnte ich die Wäsche trocken und "schrankfertig" entnehmen.
"Vertane Zeit", dachte ich mir, "irgendwann sollte ich mir eine Waschmaschine kaufen".
Dann fiel mir ein, dass Antje eine Waschmaschine hatte. Dort würden wir doch sicherlich bald unsere Wäsche immer zusammen waschen.
Der Vormittag neigte sich dem Ende zu. Es lohnte sich nicht mehr, in die Schule zu fahren.
Mehr aus Langeweile sah ich in den Briefkasten, als ich im Hausflur stand.
Nichts! Kein Brief!
Doch: ein kleiner Zettel neben der üblichen Reklame.
Ein Einschreiben konnte nicht zugestellt werden und ich sollte es am nächsten Tag auf der Post abholen.
Mist — den Postboten musste ich gerade verpasst haben.
Ob der noch bei uns in der Straße unterwegs war? Auf meinem Rückweg vom Waschsalon hatte ich ihn nicht gesehen.
Trotzdem wollte ich mein Glück versuchen, musste nur schnell die saubere Wäsche nach oben bringen.
Als ich um die letzte Ecke bog und schon einen Blick auf meine Wohnungstür werfen konnte, bekam ich einen riesigen Schreck: davor standen Tüten und Koffer, Kartons und einige kleine Möbelstücke.
Das war alles, was ich schon bei Antje in der Wohnung gehabt hatte — als "vorgezogener Umzug".
Wie hatte sie das in der kurzen Zeit meiner Abwesenheit hier abladen können?
Sie musste mehrere Helfer gehabt haben.
Auf dem einen Koffer klebte ein Briefumschlag.
Ungeduldig riss ich ihn auf.
"Brief" wäre geprahlt gewesen, es war mehr ein Zettel.
Tränen schossen mir in die Augen, als ich die wenigen Zeilen immer wieder betrachtete:
"Ich will Dich NIE NIE NIE NIE NIE wiedersehen!" Wenn Du Dich bei mir melden solltest, wirst Du es schrecklich bereuen! Ich hasse Dich, Du perverse Person!"
Meine Lust, den Postboten zu suchen, tendierte auf einmal gegen null.
Ich schleppte die Sachen in die Wohnung und legte mich auf das Bett, das noch nicht bezogen war, aber das war mir egal.
Bald darauf war ich eingeschlafen.
Erst abends wurde ich wach.
Es klopfte heftig an die Tür.
Nicht doch schon wieder - NEIN — auf Antje hatte ich wirklich keine Lust.
Ich rief: "ich bin nicht zuhause!"
"Nun mach auf!"
Die Stimme gehörte nicht zu Antje und auch nicht zu Elli.
Ich glaubte, jemanden aus meiner Klasse zu erkennen und schleppte mich an die Tür.
Tatsächlich — es war eine Mitschülerin, die in der Nähe wohnte und bei der ich schon einmal zum Tee gewesen war.
Elli verschwand in der Küche.
Sie kam wieder mit zwei Gläsern Sekt und sagte auffordernd: "heute sollten wir ganz viel saufen!"
Sie hatte wohl die angebrochene Flasche im Kühlschrank entdeckt und sich bedient.
Ich lehnte ab: "Du siehst, was bei unserer gestrigen Sauferei herausgekommen ist!
Wir schauen gleich mal beim Leierkastenmann vorbei. Mag sein, dass da schon jemand ist zum Saubermachen, dann suchen wir Deinen Schlüssel".
So ganz einverstanden war Elli nicht und stürzte den Inhalt beider Gläser hinunter.
Ich schüttelte mich, hinein in den nüchternen Magen, das könnte ich bestimmt nicht — und das wollte ich auch nicht.
Elli schien es aufzumuntern.
"Du solltest Deine Bettwäsche erst einmal einweichen und möglichst bald waschen", gab sie mir zu bedenken. Ich holte einen Wassereimer, zog das Bett ab und steckte die blutgetränkten Teile hinein. Etwas Waschmittel tat ich hinzu und füllte mit warmem Wasser auf.
Das Blut löste sich — und ich verfolgte die Bildung von verlaufenden Mustern auf der Wasseroberfläche. Ich musste an "Experimente" denken, die wir als jüngere Schüler mit Tinte und Wasser durchgeführt hatten. Außerdem tropften wir gerne einen größeren Tintenklecks genau in den Knick eines gefalteten Papieres und bewunderten die entstehenden Muster.
Oft rissen wir dazu ein Papier aus unseren Schulheften — und meine Mutter wunderte sich, dass die Hefte immer dünner wurden.
Ich rührte im Eimer herum; die Muster verschwanden.
Das Wasser bekam eine durchgängige hellrote Farbe.
"Da hat aber jemand heftig seine Tage gehabt", war der trockene Kommentar von Elli.
Ich spülte die Wäsche ein paar Mal durch. Sie wurde fast sauber.
Von den Blutflecken war nicht mehr viel zu sehen.
"Hast Du noch mehr Schmutzwäsche?" fragte Elli, "in der Straße vom Leierkastenmann gibt"™s einen Waschsalon. Dann könnten wir waschen, so lange wir den Schlüssel suchen!"
Das war eine gute Idee.
Ich packte einige Sachen zusammen.
Wir konnten endlich aufbrechen.
Ich fütterte die Maschine mit meiner Wäsche und Waschmittel.
Als die Trommel sich in Bewegung setzte, meinte Elli: "nun haben wir eine ¾ Stunde Zeit!"
Tatsächlich war schon jemand am Putzen, als wir an die Tür des Leierkastenmannes klopften.
Eine ältere Frau kam und herrschte uns an: "Verp**** euch, es gibt noch nischt!"
Als wir unser Anliegen erklärten, wurde ihr Gesichtsausdruck etwas milder. "Na gut, dann kommt rinn, aber der Bierhahn bleibt zu!"
Ich wunderte mich, dass wir den Schlüssel nicht schon am Abend vorher gefunden hatten; denn er war lediglich hinuntergefallen und steckte, relativ gut zu sehen, in einem Spalt zwischen Schutzleiste und Thekenverkleidung. Fast sah es aus, als hätte ihn jemand mit Absicht dort hineingesteckt.
Wir bedankten uns bei der Reinigungskraft und verließen das Lokal. Dabei ging es uns wesentlich besser als am letzten Abend.
Elli verabschiedete sich. Sie wollte gleich in ihre Wohnung gehen.
Ich kaufte mir eine Zeitung und setzte mich in den Waschsalon. Als die Waschmaschine endlich fertig war, wanderte die Wäsche in eine Schleuder. Für die musste ich auch noch einmal fünfzig Pfennige einstecken.
Endlich konnte ich alles in den Trockner stecken, der sogar eine Mark verlangte. Dafür konnte ich die Wäsche trocken und "schrankfertig" entnehmen.
"Vertane Zeit", dachte ich mir, "irgendwann sollte ich mir eine Waschmaschine kaufen".
Dann fiel mir ein, dass Antje eine Waschmaschine hatte. Dort würden wir doch sicherlich bald unsere Wäsche immer zusammen waschen.
Der Vormittag neigte sich dem Ende zu. Es lohnte sich nicht mehr, in die Schule zu fahren.
Mehr aus Langeweile sah ich in den Briefkasten, als ich im Hausflur stand.
Nichts! Kein Brief!
Doch: ein kleiner Zettel neben der üblichen Reklame.
Ein Einschreiben konnte nicht zugestellt werden und ich sollte es am nächsten Tag auf der Post abholen.
Mist — den Postboten musste ich gerade verpasst haben.
Ob der noch bei uns in der Straße unterwegs war? Auf meinem Rückweg vom Waschsalon hatte ich ihn nicht gesehen.
Trotzdem wollte ich mein Glück versuchen, musste nur schnell die saubere Wäsche nach oben bringen.
Als ich um die letzte Ecke bog und schon einen Blick auf meine Wohnungstür werfen konnte, bekam ich einen riesigen Schreck: davor standen Tüten und Koffer, Kartons und einige kleine Möbelstücke.
Das war alles, was ich schon bei Antje in der Wohnung gehabt hatte — als "vorgezogener Umzug".
Wie hatte sie das in der kurzen Zeit meiner Abwesenheit hier abladen können?
Sie musste mehrere Helfer gehabt haben.
Auf dem einen Koffer klebte ein Briefumschlag.
Ungeduldig riss ich ihn auf.
"Brief" wäre geprahlt gewesen, es war mehr ein Zettel.
Tränen schossen mir in die Augen, als ich die wenigen Zeilen immer wieder betrachtete:
"Ich will Dich NIE NIE NIE NIE NIE wiedersehen!" Wenn Du Dich bei mir melden solltest, wirst Du es schrecklich bereuen! Ich hasse Dich, Du perverse Person!"
Meine Lust, den Postboten zu suchen, tendierte auf einmal gegen null.
Ich schleppte die Sachen in die Wohnung und legte mich auf das Bett, das noch nicht bezogen war, aber das war mir egal.
Bald darauf war ich eingeschlafen.
Erst abends wurde ich wach.
Es klopfte heftig an die Tür.
Nicht doch schon wieder - NEIN — auf Antje hatte ich wirklich keine Lust.
Ich rief: "ich bin nicht zuhause!"
"Nun mach auf!"
Die Stimme gehörte nicht zu Antje und auch nicht zu Elli.
Ich glaubte, jemanden aus meiner Klasse zu erkennen und schleppte mich an die Tür.
Tatsächlich — es war eine Mitschülerin, die in der Nähe wohnte und bei der ich schon einmal zum Tee gewesen war.
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Ich holte mein Teegeschirr aus dem Schrank. So eine tönerne Kanne mit den dazugehörigen kleinen Schalen aus dem gleichen Material hat wohl damals jeder gehabt.
Mit meinem Jasmin-Tee konnte ich zwar bei richtigen Kennern nicht punkten — aber immerhin war der besser als Teebeutel aus dem Supermarkt.
Beim Herausfummeln des durchlöcherten Einsatzes aus der Kanne verbrannte ich mir natürlich wieder die Finger.
"Nun erzähl mal!"
Friderike hatte mir wohl angesehen, dass es mir nicht gut ging. Die "ganze Wahrheit" konnte ich ihr nicht erzählen, so beließ ich es bei einem "Fall von Eifersucht", die allerdings, so fügte ich hinzu, "völlig unberechtigt" war. Von den Sachen, die vor der Tür standen und wohl eine endgültige Trennung bedeuten würden, erzählte ich ihr auch.
Bald wechselten wir das Thema. Das bekam uns beiden gut; denn Friderike war durchaus eine Gesprächspartnerin für interessante Stunden.
Es wurde richtig spät.
Sie fragte mich, ob sie über Nacht bleiben sollte. Nach "FreiwilligenDIENST" hörte es sich nicht an. Sie wollte es wohl selbst ganz gerne.
Mir fiel aber ein, dass mein Bett noch nicht betriebsfähig war. Außerdem wusste ich nicht, ob Antje noch einmal hier auftauchen würde. "Ein anders Mal gerne", sagte ich zu Friderike, "ich weiß nicht, ob das Eifersuchtsdrama noch einen zweiten Akt haben wird".
"Dann komm doch mit zu mir!"
Ihre Augen leuchteten und zeigten mir, dass das Angebot ehrlich gemeint war.
So schlecht fand ich die Idee nicht.
"Nimm ein paar Sachen mit", sagte sie zu mir, "dann können wir morgen zusammen in die Schule gehen!"
Ich packte ein paar Sachen in meinen Rucksack und dachte auch an den Abholzettel für das Einschreiben.
Wir machten uns zu Fuß auf den Weg. Nach einer Weile ergriff Friderike meine Hand.
"Wie Hänsel und Gretel", wollte ich es abtun, aber je weiter wir gingen, desto wohler fühlte ich mich an ihrer Seite.
Ich war froh, als wir ihre kleine Wohnung betraten. Ein Gefühl von Sicherheit und Wohlfühlen umschmeichelte mich. Niemand würde vermuten, dass ich hier übernachtete.
Elli, Antje — ja sogar Braun, alle waren weit weg.
Wir machten uns bettfertig.
Eng aneinandergekuschelt schliefen wir ein. Wann hatte ich mich zuletzt so gut und unbeschwert gefühlt? Friderike schien es ähnlich zu gehen; denn als sie morgens aufwachte, strahlte sie mich an und gab mir einen Kuss.
"Stimmt es, dass Männer morgens am meisten Lust verspüren?" fragte sie mich.
"Weiß ich nicht", gab ich zur Antwort und runzelte die Stirn.
"Wenn das stimmen sollte, dann bin ich wohl ein Mann!" Sie lachte, zog das Nachthemd aus und setzte sich auf mich.
Mit meinem Jasmin-Tee konnte ich zwar bei richtigen Kennern nicht punkten — aber immerhin war der besser als Teebeutel aus dem Supermarkt.
Beim Herausfummeln des durchlöcherten Einsatzes aus der Kanne verbrannte ich mir natürlich wieder die Finger.
"Nun erzähl mal!"
Friderike hatte mir wohl angesehen, dass es mir nicht gut ging. Die "ganze Wahrheit" konnte ich ihr nicht erzählen, so beließ ich es bei einem "Fall von Eifersucht", die allerdings, so fügte ich hinzu, "völlig unberechtigt" war. Von den Sachen, die vor der Tür standen und wohl eine endgültige Trennung bedeuten würden, erzählte ich ihr auch.
Bald wechselten wir das Thema. Das bekam uns beiden gut; denn Friderike war durchaus eine Gesprächspartnerin für interessante Stunden.
Es wurde richtig spät.
Sie fragte mich, ob sie über Nacht bleiben sollte. Nach "FreiwilligenDIENST" hörte es sich nicht an. Sie wollte es wohl selbst ganz gerne.
Mir fiel aber ein, dass mein Bett noch nicht betriebsfähig war. Außerdem wusste ich nicht, ob Antje noch einmal hier auftauchen würde. "Ein anders Mal gerne", sagte ich zu Friderike, "ich weiß nicht, ob das Eifersuchtsdrama noch einen zweiten Akt haben wird".
"Dann komm doch mit zu mir!"
Ihre Augen leuchteten und zeigten mir, dass das Angebot ehrlich gemeint war.
So schlecht fand ich die Idee nicht.
"Nimm ein paar Sachen mit", sagte sie zu mir, "dann können wir morgen zusammen in die Schule gehen!"
Ich packte ein paar Sachen in meinen Rucksack und dachte auch an den Abholzettel für das Einschreiben.
Wir machten uns zu Fuß auf den Weg. Nach einer Weile ergriff Friderike meine Hand.
"Wie Hänsel und Gretel", wollte ich es abtun, aber je weiter wir gingen, desto wohler fühlte ich mich an ihrer Seite.
Ich war froh, als wir ihre kleine Wohnung betraten. Ein Gefühl von Sicherheit und Wohlfühlen umschmeichelte mich. Niemand würde vermuten, dass ich hier übernachtete.
Elli, Antje — ja sogar Braun, alle waren weit weg.
Wir machten uns bettfertig.
Eng aneinandergekuschelt schliefen wir ein. Wann hatte ich mich zuletzt so gut und unbeschwert gefühlt? Friderike schien es ähnlich zu gehen; denn als sie morgens aufwachte, strahlte sie mich an und gab mir einen Kuss.
"Stimmt es, dass Männer morgens am meisten Lust verspüren?" fragte sie mich.
"Weiß ich nicht", gab ich zur Antwort und runzelte die Stirn.
"Wenn das stimmen sollte, dann bin ich wohl ein Mann!" Sie lachte, zog das Nachthemd aus und setzte sich auf mich.
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
So wurde es spät — kein Wunder. Wir hätten längst in der Schule sein müssen.
Wir waren übermütig wie die Kinder, als wir uns endlich auf den Weg machten. Den ersten Block des Unterrichtes hatten wir beide versäumt. Das war bei Friderike, soweit ich mich erinnern konnte, noch nie vorgekommen.
"Wir sollten nicht beide zur selben Zeit erscheinen", sagte sie mir, "sonst machen sich unsere "lieben MitschülerInnen" gleich einen Reim daraus. Gehe Du erst in die Klasse, ich gehe noch eine Viertelstunde in die Schulbücherei!"
Das war zwar fast lächerlich, aber ich stimmte zu.
In der Klasse nahm man meine Verspätung nicht so richtig wahr. Das lag sicherlich mit daran, dass es schon oft vorgekommen war, dass ich mehrere Stunden hatte ausfallen lassen.
Oft hatte ich die besten Vorsätze: nur EINEN Kaffee in der kleinen Kneipe vor der Schule.
"Leider" traf ich da meistens jemanden, sodass sich interessante Gespräche ergaben, die eine Beschulung verhinderten.
Peinlich, wenn wir nachmittags einen Lehrer trafen und zwar "fast" auf dem Schulgelände gewesen waren, aber nicht am Unterricht teilgenommen hatten.
Friederike erschien. Ich lächelte.
Das nahm ein Mitschüler, der immer alles gern zur Kenntnis nahm, sicherlich aus den Augenwinkeln wahr; denn er blickte über seine Zeitung hinweg.
Friderike musste mir einen Magneten in die Tasche geschmuggelt haben - und auch einen besessen haben; denn den ganzen Tag suchte ich ihre Nähe und konnte kaum genug davon bekommen, bei ihr zu sein.
So war ich ziemlich enttäuscht, als sie sich nachmittags verabschiedete: "ich gehe zur Uni-Frauensportgruppe!"
Meine Enttäuschung hielt jedoch nicht lange an, hatte ich doch selbst zu tun. Ich musste zur Post und das Einschreiben abholen.
Es war, wie ich erwartet hatte, vom Notar.
Es enthielt eine Art Urkunde und die Durchschrift einer Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden.
Heute kann ich nicht mehr genau sagen, um welche Tatbestände es dort ging, aber in der Zusammenfassung ist zu sagen, dass es ziemlich bedeutsame Vorwürfe waren, die sich gegen Braun und seine Mannschaft richteten.
Einen der Männer auf meinen Fotos hatte der Notar wiedererkannt. Dieser war es, der eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt hatte, um in den Besitz meiner Unterlagen und Negative zu kommen.
Ich war in Aufbruchsstimmung. Erst überlegte ich, zusammen mit Elli eine Flasche Sekt aufzumachen und zu feiern, doch dann setzte ich mich in die U-Bahn und fuhr nach Moabit. Ich wollte Braun die Schreiben des Notars unter die Nase halten.
Ich musste von ihm hören, dass er verloren hatte und dass er Elli und mich in Zukunft in Ruhe lassen würde.
Als ich leichten Schrittes die Treppe hinauf stürmte, weil ich auch körperlich die Erleichterung verspürte, hörte ich, dass oben ziemliche Unruhe herrschte. Mein Herz klopfte lauter.
Endlich stand ich vor der Bürotür, die weit geöffnet war.
Etliche Leute packten Unterlagen und allerlei Zeugs in Umzugskisten.
Braun und die anderen Leute waren nicht zu sehen.
Ich sprach einen Mann an, der eine gehobene Position haben musste; denn er gab den anderen Leuten Anweisungen: "Ich möchte gern zu Herrn Braun!"
Er sah mich an und schüttelte den Kopf: "wir haben hier keinen Herrn Braun", wobei er das HERR besonders betonte.
Er dachte eine Weile nach, sprach dann das Wort "mehr".
Was sollte das bedeuten?
"Außerdem haben wir keine Zeit", fügte er hinzu, "die Wohnung ist gekündigt und morgen ziehen hier neue Mieter ein".
Wir waren übermütig wie die Kinder, als wir uns endlich auf den Weg machten. Den ersten Block des Unterrichtes hatten wir beide versäumt. Das war bei Friderike, soweit ich mich erinnern konnte, noch nie vorgekommen.
"Wir sollten nicht beide zur selben Zeit erscheinen", sagte sie mir, "sonst machen sich unsere "lieben MitschülerInnen" gleich einen Reim daraus. Gehe Du erst in die Klasse, ich gehe noch eine Viertelstunde in die Schulbücherei!"
Das war zwar fast lächerlich, aber ich stimmte zu.
In der Klasse nahm man meine Verspätung nicht so richtig wahr. Das lag sicherlich mit daran, dass es schon oft vorgekommen war, dass ich mehrere Stunden hatte ausfallen lassen.
Oft hatte ich die besten Vorsätze: nur EINEN Kaffee in der kleinen Kneipe vor der Schule.
"Leider" traf ich da meistens jemanden, sodass sich interessante Gespräche ergaben, die eine Beschulung verhinderten.
Peinlich, wenn wir nachmittags einen Lehrer trafen und zwar "fast" auf dem Schulgelände gewesen waren, aber nicht am Unterricht teilgenommen hatten.
Friederike erschien. Ich lächelte.
Das nahm ein Mitschüler, der immer alles gern zur Kenntnis nahm, sicherlich aus den Augenwinkeln wahr; denn er blickte über seine Zeitung hinweg.
Friderike musste mir einen Magneten in die Tasche geschmuggelt haben - und auch einen besessen haben; denn den ganzen Tag suchte ich ihre Nähe und konnte kaum genug davon bekommen, bei ihr zu sein.
So war ich ziemlich enttäuscht, als sie sich nachmittags verabschiedete: "ich gehe zur Uni-Frauensportgruppe!"
Meine Enttäuschung hielt jedoch nicht lange an, hatte ich doch selbst zu tun. Ich musste zur Post und das Einschreiben abholen.
Es war, wie ich erwartet hatte, vom Notar.
Es enthielt eine Art Urkunde und die Durchschrift einer Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden.
Heute kann ich nicht mehr genau sagen, um welche Tatbestände es dort ging, aber in der Zusammenfassung ist zu sagen, dass es ziemlich bedeutsame Vorwürfe waren, die sich gegen Braun und seine Mannschaft richteten.
Einen der Männer auf meinen Fotos hatte der Notar wiedererkannt. Dieser war es, der eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt hatte, um in den Besitz meiner Unterlagen und Negative zu kommen.
Ich war in Aufbruchsstimmung. Erst überlegte ich, zusammen mit Elli eine Flasche Sekt aufzumachen und zu feiern, doch dann setzte ich mich in die U-Bahn und fuhr nach Moabit. Ich wollte Braun die Schreiben des Notars unter die Nase halten.
Ich musste von ihm hören, dass er verloren hatte und dass er Elli und mich in Zukunft in Ruhe lassen würde.
Als ich leichten Schrittes die Treppe hinauf stürmte, weil ich auch körperlich die Erleichterung verspürte, hörte ich, dass oben ziemliche Unruhe herrschte. Mein Herz klopfte lauter.
Endlich stand ich vor der Bürotür, die weit geöffnet war.
Etliche Leute packten Unterlagen und allerlei Zeugs in Umzugskisten.
Braun und die anderen Leute waren nicht zu sehen.
Ich sprach einen Mann an, der eine gehobene Position haben musste; denn er gab den anderen Leuten Anweisungen: "Ich möchte gern zu Herrn Braun!"
Er sah mich an und schüttelte den Kopf: "wir haben hier keinen Herrn Braun", wobei er das HERR besonders betonte.
Er dachte eine Weile nach, sprach dann das Wort "mehr".
Was sollte das bedeuten?
"Außerdem haben wir keine Zeit", fügte er hinzu, "die Wohnung ist gekündigt und morgen ziehen hier neue Mieter ein".
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Ich war ein wenig enttäuscht, hatte eigentlich auf eine "großen Abrechnung" gehofft.
Zusagen wollte ich haben, nicht nur für mich, sondern auch für Elli. Schließlich hatte ich ihr ein Versprechen gegeben.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Rückweg anzutreten. Ich war dankbar, als ich endlich in der richtigen U-Bahn saß. "Immerhin findet hier eine Bewegung in die richtige Richtung statt", fiel mir dazu ein.
Ganz in Gedanken stieg ich die Treppe zu meiner Wohnung hoch. Als ich schließlich schnaufend um die letzte Ecke bog, überraschte mich, dass man wohl schon auf mich gewartet hatte.
Friderike und Elli saßen auf den Treppenstufen und schienen sich gut zu unterhalten. Vor meiner Tür stand ein Mann im grauen Anzug, der auch schon eine Weile gewartet hatte, aber kein "Treppensitzer" war.
Er stellte sich als Mitarbeiter der Polizei vor und sagte mir, dass ich möglichst umgehend zu einer Anhörung in die Senatsverwaltung kommen sollte. Auf meine Frage (ich war etwas misstrauisch) erklärte er, dass ich als Zeuge, womöglich als Geschädigter zu hören wäre, keinesfalls als Beschuldigter. Das beruhigte mich.
Allerdings wunderte mich, dass ich möglichst gleich mitkommen sollte. "Es wird nicht lange dauern", sagte er — und das sollte wohl motivierend klingen.
"Ich muss los!"
Elli verabschiedete sich.
"Du kannst nachher zu mir kommen!" Friederike wollte auch los.
So machte ich mich mit dem Mitarbeiter der Polizei auf den Weg. Als wir in seinem Wagen saßen, hatte ich doch auf einmal ein mulmiges Gefühl.
Schließlich hatte er mir nicht einmal seinen Dienstausweis gezeigt. Allerdings hatte ich auch nicht verlangt, dass er sich ausweisen sollte. Er war ziemlich schweigsam. Auf meine Frage, wo es hingehen sollte, antwortete er ausweichend.
Bei dem Auto handelte es sich um ein Zivilfahrzeug. Nichts deutete darauf hin, dass es zu einer Behörde gehörte. Wir fuhren nach Wilmersdorf.
Vor dem Bezirksamt machten wir halt.
"Kommen Sie bitte!"
Hatte ich da so etwas wie einen Befehl gehört?
Erst einmal ging ich davon aus, dass es eine Bitte war.
Schon von außen sah das Bezirksamt riesig aus; noch anders war der Eindruck "in der Höhle der Löwen". Die Amtsstube, die wir aufsuchten konnte typischer nicht sein. "Jemand sollte ein Foto machen", dachte ich.
Es kam aber niemand auf so eine Idee.
Neben dem Mann, der mich hingefahren hatte, waren zwei weitere Männer bei der Anhörung dabei. Sie stellten sich kurz vor.
Da sie das Schreiben des Anwaltes vor sich liegen hatten, waren sie in groben Zügen informiert, wollten jedoch trotzdem von mir eine Bestätigung des Sachverhaltes.
Sie machten einen ziemlich neutralen Eindruck. So bemühte auch ich mich darum, "meine Geschichte" möglichst sachlich und emotionslos zu schildern, obwohl mir das an manchen Stellen ausgesprochen schwer fiel.
Als wir zwei Stunden später endlich fertig waren, formulierte ich meine Besorgnis, dass ich das Gefühl hätte, wieder in die Fänge von Braun "oder ähnlichen Leuten" zu geraten. Dabei schloss ich auch Elli ein.
Man gab mir zu verstehen, wir könnten sicher sein, dass niemand mehr an uns herantreten würde. Aus Gründen der Geheimhaltung wollte man mir jedoch nichts schriftlich zusichern.
So war ich nicht ganz zufrieden, als ich endlich gehen konnte.
Friderike erwartete mich schon.
Wieder blieb ich über Nacht bei ihr. Am nächsten Morgen waren wir früh genug, um zusammen und pünktlich in die Klasse zu schreiten.
Die Tage darauf stellte sich uns oft die Frage "zu Dir oder zu mir?"
Wir fanden meistens eine Lösung, die uns beiden gefiel.
Die Prüfung bestanden wir beide. Auch fanden wir eine geeignete Stelle für unser Anerkennungsjahr.
Als in einem Nachbarhaus eine größere Wohnung frei wurde, zogen wir richtig zusammen.
Von Antje habe ich seit damals nichts mehr gehört. Über einen Kollegen, der beim Bezirksamt arbeitete, habe ich versucht, Erkundigungen einzuholen. Ein Kind hat sie jedenfalls nicht bekommen. Sie blieb (in den Personalpapieren) ledig und kinderlos, bis sie Jahre später wieder nach Westdeutschland zog. Ich habe sie nie mehr wiedergesehen.
Auch Elli sah ich nicht mehr oft. Irgendwann ging unsere Verbindung dann ganz verloren.
Ich war in einem "neuen Leben". Friderike und ich bekamen bald ein Kind — und auf Jahre war ich mit Arbeit und Familie so beschäftigt, dass kaum Platz für andere Themen war.
Wenn ich Friderikes Wäsche zum Trocknen aufhängte, dann dachte ich ganz selten mal daran: "das könntest Du auch tragen!"
Mit meinem Umzug war ich für viele Leute nicht mehr erreichbar. So bekam ich auch nicht mit, was aus der Psychologin und ihren Projekten geworden ist.
Irgendwann habe ich mal gehört, dass es tatsächlich zu einer Entwicklung von Brustprothesen gekommen ist, die einen BH richtig ausfüllen konnten.
Von Braun haben wir nichts mehr gehört. So gehe ich davon aus, dass sich auch Elli von den Ereignissen befreien konnte. Bei einem Treffen der Personalvertretung auf Landesebene erzählte aber jemand von einer Elli, die sich in der Stadtteilarbeit mit Jugendlichen engagierte. Ich hoffte, es würde sich um "meine Elli" handeln.
Warum ich das alles aufgeschrieben habe?
Während meiner vielen Umzüge sind mir fast alle Fotos aus der Zeit verlorengegangen. Geblieben sind allerdings einige Erinnerungen, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Nun stehen sie erst einmal hier.
ENDE
Zusagen wollte ich haben, nicht nur für mich, sondern auch für Elli. Schließlich hatte ich ihr ein Versprechen gegeben.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als den Rückweg anzutreten. Ich war dankbar, als ich endlich in der richtigen U-Bahn saß. "Immerhin findet hier eine Bewegung in die richtige Richtung statt", fiel mir dazu ein.
Ganz in Gedanken stieg ich die Treppe zu meiner Wohnung hoch. Als ich schließlich schnaufend um die letzte Ecke bog, überraschte mich, dass man wohl schon auf mich gewartet hatte.
Friderike und Elli saßen auf den Treppenstufen und schienen sich gut zu unterhalten. Vor meiner Tür stand ein Mann im grauen Anzug, der auch schon eine Weile gewartet hatte, aber kein "Treppensitzer" war.
Er stellte sich als Mitarbeiter der Polizei vor und sagte mir, dass ich möglichst umgehend zu einer Anhörung in die Senatsverwaltung kommen sollte. Auf meine Frage (ich war etwas misstrauisch) erklärte er, dass ich als Zeuge, womöglich als Geschädigter zu hören wäre, keinesfalls als Beschuldigter. Das beruhigte mich.
Allerdings wunderte mich, dass ich möglichst gleich mitkommen sollte. "Es wird nicht lange dauern", sagte er — und das sollte wohl motivierend klingen.
"Ich muss los!"
Elli verabschiedete sich.
"Du kannst nachher zu mir kommen!" Friederike wollte auch los.
So machte ich mich mit dem Mitarbeiter der Polizei auf den Weg. Als wir in seinem Wagen saßen, hatte ich doch auf einmal ein mulmiges Gefühl.
Schließlich hatte er mir nicht einmal seinen Dienstausweis gezeigt. Allerdings hatte ich auch nicht verlangt, dass er sich ausweisen sollte. Er war ziemlich schweigsam. Auf meine Frage, wo es hingehen sollte, antwortete er ausweichend.
Bei dem Auto handelte es sich um ein Zivilfahrzeug. Nichts deutete darauf hin, dass es zu einer Behörde gehörte. Wir fuhren nach Wilmersdorf.
Vor dem Bezirksamt machten wir halt.
"Kommen Sie bitte!"
Hatte ich da so etwas wie einen Befehl gehört?
Erst einmal ging ich davon aus, dass es eine Bitte war.
Schon von außen sah das Bezirksamt riesig aus; noch anders war der Eindruck "in der Höhle der Löwen". Die Amtsstube, die wir aufsuchten konnte typischer nicht sein. "Jemand sollte ein Foto machen", dachte ich.
Es kam aber niemand auf so eine Idee.
Neben dem Mann, der mich hingefahren hatte, waren zwei weitere Männer bei der Anhörung dabei. Sie stellten sich kurz vor.
Da sie das Schreiben des Anwaltes vor sich liegen hatten, waren sie in groben Zügen informiert, wollten jedoch trotzdem von mir eine Bestätigung des Sachverhaltes.
Sie machten einen ziemlich neutralen Eindruck. So bemühte auch ich mich darum, "meine Geschichte" möglichst sachlich und emotionslos zu schildern, obwohl mir das an manchen Stellen ausgesprochen schwer fiel.
Als wir zwei Stunden später endlich fertig waren, formulierte ich meine Besorgnis, dass ich das Gefühl hätte, wieder in die Fänge von Braun "oder ähnlichen Leuten" zu geraten. Dabei schloss ich auch Elli ein.
Man gab mir zu verstehen, wir könnten sicher sein, dass niemand mehr an uns herantreten würde. Aus Gründen der Geheimhaltung wollte man mir jedoch nichts schriftlich zusichern.
So war ich nicht ganz zufrieden, als ich endlich gehen konnte.
Friderike erwartete mich schon.
Wieder blieb ich über Nacht bei ihr. Am nächsten Morgen waren wir früh genug, um zusammen und pünktlich in die Klasse zu schreiten.
Die Tage darauf stellte sich uns oft die Frage "zu Dir oder zu mir?"
Wir fanden meistens eine Lösung, die uns beiden gefiel.
Die Prüfung bestanden wir beide. Auch fanden wir eine geeignete Stelle für unser Anerkennungsjahr.
Als in einem Nachbarhaus eine größere Wohnung frei wurde, zogen wir richtig zusammen.
Von Antje habe ich seit damals nichts mehr gehört. Über einen Kollegen, der beim Bezirksamt arbeitete, habe ich versucht, Erkundigungen einzuholen. Ein Kind hat sie jedenfalls nicht bekommen. Sie blieb (in den Personalpapieren) ledig und kinderlos, bis sie Jahre später wieder nach Westdeutschland zog. Ich habe sie nie mehr wiedergesehen.
Auch Elli sah ich nicht mehr oft. Irgendwann ging unsere Verbindung dann ganz verloren.
Ich war in einem "neuen Leben". Friderike und ich bekamen bald ein Kind — und auf Jahre war ich mit Arbeit und Familie so beschäftigt, dass kaum Platz für andere Themen war.
Wenn ich Friderikes Wäsche zum Trocknen aufhängte, dann dachte ich ganz selten mal daran: "das könntest Du auch tragen!"
Mit meinem Umzug war ich für viele Leute nicht mehr erreichbar. So bekam ich auch nicht mit, was aus der Psychologin und ihren Projekten geworden ist.
Irgendwann habe ich mal gehört, dass es tatsächlich zu einer Entwicklung von Brustprothesen gekommen ist, die einen BH richtig ausfüllen konnten.
Von Braun haben wir nichts mehr gehört. So gehe ich davon aus, dass sich auch Elli von den Ereignissen befreien konnte. Bei einem Treffen der Personalvertretung auf Landesebene erzählte aber jemand von einer Elli, die sich in der Stadtteilarbeit mit Jugendlichen engagierte. Ich hoffte, es würde sich um "meine Elli" handeln.
Warum ich das alles aufgeschrieben habe?
Während meiner vielen Umzüge sind mir fast alle Fotos aus der Zeit verlorengegangen. Geblieben sind allerdings einige Erinnerungen, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Nun stehen sie erst einmal hier.
ENDE
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- Registriert: Mo 15. Jun 2015, 14:16
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Auf jeden Fall Vielen Dank, dass wir teilhaben durften. Ich bin erst seit 1980 in Berlin, habe aber vieles wiedererkannt...
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Re: Eine Geschichte aus dem Berlin der 1970er: ELLI
Hallo Anne - Mette
... ja nun ... das das ENDE ( das der Geschichte
) naht , hast Du mir beim Forum-Treffen ja schon angedeutet ... aber sooo schnell ?!
Das Fazit aus meinen bewegenden Tagen der 70er hat mein Vater letztens so formuliert : ... ist ja doch noch ein ganz anständiger Mensch
aus Dir geworden
Hab DANK dafür , das Du uns , die wir diese Zeit erleben durften , an so Vieles , in einer schön geschriebenen Geschichte , erinnert hast
Aber Du hast ja eine neue Geschichte angedacht - auf die ich schon sehr gespannt bin
LG von frecher Anni

... ja nun ... das das ENDE ( das der Geschichte


Das Fazit aus meinen bewegenden Tagen der 70er hat mein Vater letztens so formuliert : ... ist ja doch noch ein ganz anständiger Mensch
aus Dir geworden

Hab DANK dafür , das Du uns , die wir diese Zeit erleben durften , an so Vieles , in einer schön geschriebenen Geschichte , erinnert hast

Aber Du hast ja eine neue Geschichte angedacht - auf die ich schon sehr gespannt bin

LG von frecher Anni
Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer die alten Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie paßten auch heute noch. George Bernard Shaw