TSG - Nein danke?
TSG - Nein danke? - # 7

Hilfe und Selbsthilfe
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MichiWell
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Re: TSG - Nein danke?

Post 91 im Thema

Beitrag von MichiWell »

Hallo Nicole,

auch von mir Anerkennung für deinen Einsatz. (yes)

Ich habe mir das PDF angeschaut, um einen Eindruck zu bekommen, welche Mühe da drin steckt.

Danke und liebe Grüße
Michi
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nicole.f
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Re: TSG - Nein danke?

Post 92 im Thema

Beitrag von nicole.f »

...ich gebe voller Anerkennung zu, dass ich nur sehr wenig zu dem Papier und den juristischen Herleitungen beigetragen haben. Der Antrag beim BVerfG umfasst sogar 50 Seiten!

Ich bin keine Juristin, doch dennoch verstehe ich den Text weitgehend. Ich hatte eine ganz andere Idee davon, wie man die Rechtwidrigkeit der Begutachtung begründen würde. Doch diese hätte ich nie im Leben fundiert und sachlich argumentieren können. Als ich die ersten Entwürfe gelesen hatte, hüpfte ich auf meinem Stuhl und im Büro auf und ab und hin und her. Denn endlich konnten Jurist_innen den Finger in die Wunde legen und haben sehr pointiert hergeleitet, warum und nach welchen Aspekten diese Begutachtung rechtlich, grundrechtlich und menschenrechtlich einfach falsch ist.

Niemals hätte ich als Einzelperson dies bewerkstelligen können. Daher bin ich White&Case äußerst dankbar dafür, dass sie sich dieses Falles angenommen haben - und dies auch noch pro-bono! Eine solche Kanzlei für diese großen Schriftsätze hätte ich mir nicht leisten können. Es ist aber auch erschreckend, dass man zur Klärung von Grundrechtsfragen einen solchen Aufwand betreiben muss. Schlussendlich bedeutet es, dass Menschen, die diese Mittel und Möglichkeiten nicht haben, unter Umständen ihre Grundrechte nicht durchsetzen können.

Liebe Grüße
nicole
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MichiWell
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Re: TSG - Nein danke?

Post 93 im Thema

Beitrag von MichiWell »

Hallo Nicole,

fühle dich bitte so frei, meine Anerkennung an alle Beteiligten weiterzugeben.

Liebe Grüße
Michi
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Manu.66
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Re: TSG - Nein danke?

Post 94 im Thema

Beitrag von Manu.66 »

Hi Nicole!

DANKE!

Liebe Grüße
Manuela

PS: Bitte immer über den Sachstand der Verfassungsbeschwerde unterrichten - nochmals danke!
Mein Lebensmotto: "Ich kann, weil ich will, was ich muss." (Kant)
nicole.f
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Re: TSG - Nein danke?

Post 95 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Zur Zeit ist an der Oberfläche Funkstille. Wir haben auch noch keine Nachricht aus Karlsruhe erhalten, ob die Beschwerde angenommen wird oder nicht.

Aber... ich bin mir sicher, dass Karlsruhe bereits bei der Regierung angerufen und um eine Stellungnahme gebeten hat.
Vor einigen Wochen wurde die Pflicht zur Zustimmung durch den "Pfleger des öffentlichen Interesses" nach erfolgreichen TSG Verfahren durch die Regierung gestrichen. Das Thema TSG ist also in der Regierung bekannt. Es gab eine erste Lesung des Gesetzesvorschlags der GRÜNEN im Bundestag. Die Bundesratsinitiative von Rheinland Pfalz förderte einen Bundesratsbeschluss hervor, der von der Regierung die Aufhebung des TSG und Schaffung eines neuen und besseren Ersatzgesetzes fordert (leider ohne rechtsverbindliche Wirkung).

Man munkelt jetzt in Berlin, dass diese Legislatur noch irgendetwas passieren soll, gerade in Anbetracht der desaströsen Gutachten der IMAG vom Februar.
Nur was?

Das Gesetz der GRÜNEN wird die Bundesregierung nicht durchwinken.
Einen der Gesetzentwürfe aus den IMAG Gutachten umsetzen? Nein, eher unwahrscheinlich, die sind zu komplex, da müsste erst das BMI ein Jahr darüber brüten.

Es wird über zwei Möglichkeiten gemutmaßt:
1. Abschaffung des TSG und vertagen eines Ersatzgesetzes auf die nächste Regierung.
2. Streichung der Begutachtung.

Die erste Variante wäre der Horror!
Die 2. ein Teilsieg.

Es sind nur noch wenige Wochen, bis alles im Wahlkampf unter geht. Wir dürfen sehr gespannt sein!

Liebe Grüße
nicole
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Svetlana L
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Re: TSG - Nein danke?

Post 96 im Thema

Beitrag von Svetlana L »

Vielen Dank, liebe Nicole, für die aktuelle Wasserstandsmeldung. Wenn tatsächlich in dieser Legislatur noch etwas passieren sollte, dann wäre das natürlich sehr begrüßenswert, allerdings müssen sich die Parlamentarier_innen da schon etwas beeilen. Nur Abschaffung des TSG (noch) in dieser Legislatur und dann ein Nachfolgegesetz irgendwann halte ich ebenfalls für eine Katastrophe, da hätten wir dann einen rechtsfreien Raum, von dem keiner weiß, wie lange der andauern wird. Ersatzlose Streichung der Begutachtung wäre auch aus meiner Sicht schon mal ein guter Anfang, birgt aber auch die Gefahr, dass man sich dann darauf ausruht und für eine lange Zeit wieder nichts passiert. Man darf auch nicht vergessen, dass die bereits eingebrachten Gesetzesentwürfe am Ende der Legislaturperiode verfallen.
Liebe Grüße aus Berlin
Svetlana
nicole.f
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Re: TSG - Nein danke?

Post 97 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Uh, schon wieder über ein Monat vergangen...

Update: Keine Nachricht aus Karlsruhe :(
TSG Reformvorhaben kommen diese Legislatur zu 100% Sicherheit nicht mehr, das steht fest.

Ich beginne jetzt für etwas mehr "Störungen" im Politikbetrieb mit Diskriminierungsbeschwerden zu sorgen. Eine erste ging gerade an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gegen die Stadt Siegen, da diese sich weigert, unser Gewerbe unter dem neuen Namen einzutragen. Ich sehe dies als einen Verstoß gegen die Vorgaben aus EU Direktive 2004/113/EC und AGG. Wenn das durch ist, kommt das Finanzamt dran etc. bis es der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu blöd wird und sie beginnen die Bundesregierung zu nerven :) Wenn ich etwas Zeit habe, anonymisiere ich meine Begründung (7 Seiten) und poste sie mal hier.

Liebe Grüße
nicole
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nicole.f
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Re: TSG - Nein danke?

Post 98 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Ihr Lieben,
ihr werdet es sicherlich bereits mitbekommen haben, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat meine Verfassungsbeschwerde nicht zur Verhandlung angenommen, hier die kurze und längere Fassung der Pressemeldung des BVerfG dazu:

https://www.dpin.de/nf/wp-content/uploa ... 103-17.pdf
https://www.dpin.de/nf/wp-content/uploa ... 747_17.pdf

Das ist natürlich eine herbe Enttäuschung für uns alle, dazu auch ein kleines Interview mit mir in der TAZ:

http://taz.de/Trans-Aktivistin-ueber-BV ... /!5466309/

Nach dem im Großen und Ganzen eigentlich recht positiven Urteil zur Dritten Option nur wenige Wochen zuvor, ist die Ablehnung der Beschwerde ohne überhaupt ein Verfahren zu eröffnen, eine fiese Klatsche. Es rückt damit aber auch das Urteil zur Dritten Option in ein etwas anderes Licht. Wir müssen genau lesen, denn das BVerfG schreibt darin, dass alle Folgerungen nur für jene Menschen gelten mögen, die "sich in ihrer geschlechtlichen Entwicklung nicht eindeutig zuordnen lassen". Erstens "zuordnen lassen" ist wieder eine Fremdbestimmung und zweitens zeigt dieser Satz eindeutig in Richtung einer medizinischen Voraussetzung, also einer Inter* Diagnose mit somatischen Belegen. Hier ist die Hintertür für den Gesetzgeber! Schon heute ist es so, dass die Regelungen der Änderung des Personenstandsrechts vom März 2013 nur für diagnostizierte Inter* Personen gelten. Es gibt eine Liste von dafür anwendbaren Inter* Diagnosen, die in den vergangen Jahren, so hört man, auch immer kürzer geworden ist!

Es gibt jedoch auch zwei positive Aspekte an der Entscheidung der Ablehnung. Erstens sagt das BVerfG klar, das trans* selbst nicht krank ist. Zudem zeigt es die Grenzen der Begutachtung noch einmal klar auf. Inwieweit man in der Praxis damit etwas anfangen kann, bleibt abzuwarten. Die richterliche Freiheit ist, aus gutem Grund, nur schwer angreifbar.

Leider ist jetzt damit der Rechtsweg ausgeschöpft. Das BVerfG hat die Entscheidung für endgültig erklärt. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wäre nun zwar noch möglich, doch wenig aussichtsreich, denn gerade erst im April hat dieser im Rahmen eines Urteils gegen die Sterilisationspflicht entschieden:

https://tgeu.org/echr_end-sterilisation/

Darin sagt der EGMR klar, dass sie psychologische und sogar medizinische Begutachtungen zur Erlangung der rechtlichen Anerkennung der persönlichen geschlechtlichen Identität nicht für einen Verstoß gegen EU Grund- und/oder Menschenrechte erachten.

Was bleibt jetzt noch?

Nun, der Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2018 Zeit, das Personenstandsrecht zu überarbeiten. Wir müssen nun darauf achten und dafür eintreten, dass nicht nur Personen mit einer staatlich anerkannten Inter* Diagnose ein Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung erhalten, sondern alle Menschen! Wir haben dafür recht genau ein Jahr Zeit... die Uhr tickt.

Liebe Grüße
nicole
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Anne-Mette
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Re: TSG - Nein danke?

Post 99 im Thema

Beitrag von Anne-Mette »

Guten Abend nicole,

schön, Dich mal wieder bei uns zu sehen )))(:

Zu dem von Dir angesprochenen Thema haben wir schon eine Diskussion in Gang gesetzt: http://www.crossdresser-forum.de/phpBB3 ... 47&t=15052

Herzliche Grüße
Anne-Mette
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Re: TSG - Nein danke?

Post 100 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Danke ;)

Hab's auch gerade gesehen... dachte aber hier der Vollständigkeit halber das dennoch sozusagen für's Erste abzuschließen.
Was ein Mist...

Liebe Grüße
nicole
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Re: TSG - Nein danke?

Post 101 im Thema

Beitrag von Anne-Mette »

Moin,

nein, ist doch in Ordnung; ich habe es nur gesagt/geschrieben "der Vollständigkeit halber" - und dass Du siehst, dass wir die Angelegenheit auch von uns aus beobachtet und kommentiert haben.

Gruß
Anne-Mette
nicole.f
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Re: TSG - Nein danke?

Post 102 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Ich hatte ja versprochen, über das Weitere Vorgehen zu berichten. Nun, seit gut einem Jahr bin ich beruflich sehr eingespannt. Was einerseits gut ist, ich habe das Glück einen guten Job zu haben, was mich aber leider fast völlig vom trans* Aktivismus fern hält - und in Anbetracht der vielen nach wie vor nicht gelösten Probleme schmerzt mich das sehr. Doch die Sicherung des Lebensunterhalts und etwas Vorsorge müssen leider sein, solange ich gerade die Chance dazu habe.

Beruflich bin ich jetzt auch wieder tüchtig international unterwegs, im Europäischen Umland, aber auch China und zu zuletzt viel in den USA. Es kann sogar durchaus sein, dass ich im kommenden Jahr immer mal wieder für längere Zeit (einige Monate) in die USA darf / muss.

Reisen ohne korrigierte Papiere nach TSG ist im Allgemeinen, meinen nun zahlreichen Erfahrungen nach, eigentlich kein Problem. Einzig wichtig ist, dass das Bild im Pass mit der aktuellen Erscheinung überein stimmt. Der Rest der Eintragungen interessiert in aller Regel niemanden, vor allem ob ggf. der Name scheinbar nicht mit der persönlichen Erscheinung übereinstimmen könnte oder der Geschlechtseintrag scheinbar unpassend erscheinen könnte. So professionell sind die alle, dass die das einfach nicht interessiert, die wissen, das man einen Menschen nicht auf ein Buchstaben reduzieren kann und sollte.

Also könnte ja alles dufte sein? Warum etwas ändern?

Das Problem ist, dass man es nicht immer nur mit gut ausgebildeten Leuten zu tun hat, sondern in den jeweiligen Ländern unter Umständen auch schon einmal mit Menschen, die mit einer gefühlten Diskrepanz zwischen Erscheinung und Papieren nicht zurechtkommen und einem dann unter Umständen sehr übel mitspielen könnten. Im Europäischen Ausland ist das kaum ein Problem, da die rechtliche Situation und Schutz fast überall gleich ist. In China fühle ich mich auch sehr sicher, da dort Personen aus dem Westen, gerade aus Europa/Deutschland ein hohes Ansehen genießen. Doch in den USA bekomme ich ein zunehmend beklemmendes Gefühl. Je nach Bundesstaat könnte ich wegen des Besuchs einer öffentlichen Toilette mehrere Tausend Dollar Strafe zahlen müssen - oder ein paar Tage Gefängnis riskieren. Medizinische Behandler_innen dürfen LSBT* Menschen die Behandlung verweigern - aus Gewissensgründen, das ich nicht lache. Was für ein Gewissen ist das denn? Und seit Trump diese unsägliche Geschlechtsdefinition "Genitalien bei Geburt" auf den Tisch gebracht hat, sind trans* Personen ernsthaft gefährdet.

Das einzige was mich dann noch vor Willkür schützen würde, sind korrekte Papiere, ein Ausweis, eine Geburtsurkunde die eindeutig belegen, dass ich weiblich bin und nicht in einen Männer-Knast gehöre, sollte es mal soweit kommen. Die armen trans* Amerikaner_innen, die ihre Urkunden nicht (mehr) ändern können. Auch wenn es ein mieses Verfahren ist, ich kann, ich kann das TSG in Anspruch nehmen und sehe mich mehr und mehr dazu genötigt. Sollte ich nächstes Jahr in der Tat ein Visum für längeren Aufenthalt beantragen (müssen), dann möchte ich das auf jeden Fall mit dem richtigen Namen und dem richtigen Geschlechtseintrag.

Ach, schade, dass es soweit kommen muss. Ich hatte wirklich Hoffnung, nach den Gutachten der IMAG, mit meinem Verfahren zum BVerfG, dem BVerfG Urteil zur Dritten Option, der Menschenrechtsrüge für Deutschland, der internationalen Entwicklung in so vielen Ländern, ich hatte wahren Hoffnung, dass sich auch hier endlich etwas bewegen könnte! Aber nein.

Aber ja, ich bin auch froh, dass wir wenigstens das TSG haben, sonst wäre alles noch schlimmer. Aus gut unterrichteten Kreisen habe ich erfahren, dass im kommenden Jahr das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) und Bundesjustizministerium (BMJ) einen neuen Anlauf zu einer TSG Reform starten wollen. Immerhin. Ich wünsche viel Erfolg! Wenngleich ich nicht daran glaube. So etwas zu entwickeln dauert eine Legislatur und sollte die Regierung überleben, dann ist die halbe Legislatur bereits vorbei, d.h. das endet höchstens (mal wieder) mit einem weiteren Gesetzesvorschlag, der nicht umgesetzt wird, weil die Zeit fehlt und in der nächsten Legislatur nicht mehr angefasst wird - weil er kam ja von der vorherigen Regierung. Zudem sind BMFSFJ und BMJ die falschen Ministerien. Für Personenstandsfragen ist das Bundesinnenministerium (BMI) zuständig, so wie jetzt auch für die Dritte Option. Ein Vorstoß von BMJ und BMFSFJ ist daher meiner Meinung nach von vorne herein dazu verurteilt, nicht umgesetzt zu werden. Hoffen wir, dass in der Zwischenzeit nicht irgendein Voll-Honk auf die Idee kommt, das TSG einfach ersatzlos zu streichen. Zutrauen würde ich es diesen Nixblickern. Aus den Kommentaren zur Anhörung zur Dritten Option liest man sehr deutlich, dass sich die meisten Politiker_innen vor der Anhörung kein Stück mit dem Thema beschäftigt hatten. Warum sollten sie und andere es dann jetzt auf einmal?

Also werde ich wohl Zähne knirschend einen Antrag stellen. Doch soviel kann ich sagen, ich werde mich dafür nicht zum Affen machen, ich werde keine ausschweifende Lebens- und "Leidensgeschichte" verfassen und ich werde ganz bestimmt nicht klischeehaft weiblich zu den Gutachten oder Richtergespräch erscheinen. Ich werde intime Fragen nicht beantworten, unter Verweis auf die Begründung des BVerfG zu meiner Beschwerde - es tut nichts zur Sache. Dieser Erwartungshaltung werde ich widerstehen - hoffentlich. Und sollte sich das tatsächlich negativ auf mein TSG Verfahren auswirken, dann klage ich wieder vor dem BVerfG, denn dann wäre ich beschwert (so sagen es die Jurist_innen, dann ist mir ein Schaden entstanden).

So sieht's aus. Es könnte schlimmer sein, aber toll ist es auch nicht und ich bin enttäuscht, dass sich in den vier Jahren (!!! Was !?!!!) seit dem ich diesen Thread eröffnet hatte in der Tat effektiv nichts verändert hat. Das ist ganz schön frustrierend.

Liebe Grüße
nicole
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heike65

Re: TSG - Nein danke?

Post 103 im Thema

Beitrag von heike65 »

Ich kann ja nur von mir sprechen, wie ich schon an anderer Stelle geschrieben habe, die Gespräche mit den Gutachtern/innen waren sehr unterhaltsam, ich würde beide gern auch im privaten Rahmen näher kennenlernen wollen.

Viel Erfolg
Heike
nicole.f
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Re: TSG - Nein danke?

Post 104 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Das ist prima, wenn Du unbeschadet aus den Begutachtungen hervorgegangen bist!

Doch das ist leider nicht immer der Fall und wegen der Fälle, in denen es nicht gut geht, möchte ich mich eigentlich dafür einsetzen, dass dieses sinnlose Verfahren endlich abgeschafft wird. Jetzt kann ich hier natürlich viel behaupten, von wegen sinnlos, schadhaft etc. und immer wieder werden praktische Erfahrungen wie von Dir dagegen sprechen können. Doch es gibt eben auch schadhafte Erfahrungen, von denen man leider nicht soviel liest oder hört, aus Scham oder weil es wirklich intime Verletzungen sind, die dabei passieren. Leider kenne ich aber solche Beispiele aus meiner Beratung und diese machen mich sehr traurig. Persönlich hätte ich mit diesen Situation kein so großes Problem, ich bin gefestigt und stark genug, dies zu verkraften und wegzustecken. Doch dieses Glück und Privileg haben nicht alle.

Die Zeit vor der Begutachtung bringt viele in einen sehr verletzlichen Zustand, ständige Rechtfertigung, ständige Infragestellung, das Finden der eigenen Identität und das alles in einer Umgebung mit rein binären geschlechtlichen Konzepten, die für viele trans* Menschen nicht wirklich passen. Manche fügen sich dem Druck und für manche wird dieses Korsett auch bald zu einer Stütze. Gratulation, für die bei denen es funktioniert! Sie können die Anforderungen und Klischees eines TSGs bedienen. Andere sind vielleicht sogar glücklich über die Beschreibungen, die ihre Gutachter_innen über sie schreiben. Doch für andere ist dies mindestens genauso falsch, wie das Geschlecht, welches ihnen bei Geburt zugewiesen wurde. Sie finden sich darin nicht wieder, es widerstrebt ihnen und sie verbiegen sich nur, ja nur um das Papier zu bekommen.

Was ich meine?
Aktuell kämpfe ich mit einer Klientin deren Antrag nach TSG vom AG abgelehnt wurde, weil einer der Gutachter schrieb, dass sie noch nicht seit drei Jahren als Frau lebe. Das dies gar nichts mit dem TSG und dem Verfahren zu tun hat, ist ihm egal und er will daran auch nichts ändern. Der Richter nahm diesen Halbsatz zum Anlass, den Antrag abzulehnen, obwohl die Normen des TSG dies gar nicht fordern. Meine Klientin ist natürlich völlig zerstört.
Ein anderer Klient war fassungslos und depressiv verstört, nachdem sein Gutachter nicht ablassen wollte, die Sexualität meines Klienten in dem Gutatchten ausführlich zu beschreiben und eine lesbisch dominante Ursache zu konstruieren. Dies ist nicht Begutachtungsgegendstand und hat in dem TSG Gutachten nichts zu suchen, trotzdem wurde so seine Sexualität schriftlich im Guatchten und Akten festgehalten und liegen in einem amtlichen Archiv. Intime Details, die niemanden etwas angehen.
Eine weitere Klientin, die seit längerem offen lebt und, ohne Übertreibung, schlicht "stealth" ist, also im Alltag nie als trans* erkannt wird, wurde von ihrem Gutachter derart intensiv und impertinent aus- und hinterfragt, dass sie anschließend begann an sich selbst zu zweifeln - zum Glück nur kurz, aber sie tat es, sie wurde dazu genötigt.
Eine Gutachterin erklärte bei einer Fachveranstaltung offen, dass sie ein Problem damit hat, wenn ihre Klient_innen nicht stereotypisch Geschlechterrollen bedienen, dann wären diese für sie nicht glaubwürdig und damit hätte sie dann ein Problem, positive Begutachtungen durchzuführen.

Das muss aufhören!

Das Bundesverfassungsgericht hat eindeutig festgestellt, dass geschlechtliche Selbstbestimmung ein Grundrecht ist.
Beliebigkeit durch Gutachter_innen und Gerichte sind Grundrechtsverstöße!
Intime Ausforschungen im Rahmen der Gutachten sind ungesetzlich (das TSG fordert es nicht) und Menschen verachtend!
Niemand darf sich für seine Geschlechtsidentität rechtfertigen müssen. Niemals!

Deswegen müssen die Gutachten weg.

Gut für alle, die es heil überstanden haben.
Aber das sind nicht alle und jede_r Einzelne die dadurch auch nur kleine Schäden davon getragen hat, ist eine_r zuviel.
Staatlich sanktionierte Grund- und Menschenrechtsverstöße sind nicht akzeptabel, niemals.

Liebe Grüße
nicole
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Re: TSG - Nein danke?

Post 105 im Thema

Beitrag von MichiWell »

Hallo Nicole,

obwohl nicht persönlich betroffen, kann ich dir nur vollumfänglich zustimmen. Die Art und Weise, wie Menschen zum Teil von den Gutachtern behandelt werden, ist eine Schande. Und ganz gleich, ob es Viele oder nur Wenige betrifft, diese Praxis muss beendet werden. Statt dessen sollte man Menschen, ob trans*, normal oder was auch immer die Möglichkeit einräumen, zu einem Psychologen zu gehen, wenn sie Hilfe brauchen. Und das nicht erst in einem halben Jahr, wenn mal ein Termin frei ist, sondern sofort.

Danke für deinen Einsatz. (yes)

Liebe Grüße
Michi
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