TSG - Nein danke?
TSG - Nein danke? - # 8

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heike65

Re: TSG - Nein danke?

Post 106 im Thema

Beitrag von heike65 »

Ich finde deinen Kampf durchaus bewundernswert und gut, aber du hast ja nun einmal das Problem mit den Reisen ins außereuropäische Ausland, und wenn ich dich richtig verstanden habe reizt dich dein Job, er ist auch lukrativ etc.
Knackpunkt ist so ich denn alles richtig verstanden habe, die USA unter Trump und die damit verbundenen Probleme oder Gefahren. Schau doch den Realitäten ins Auge, kannst dich auf das TSG verfahren einlassen, oder das Risiko eingehen in Good old USA unter Trump im Knast zu landen, oder nen anderen Job zu suchen.
Ich kann es verstehen und mehr wie nachvollziehen das das Gutachterverfahren zu durchlaufen eine persönliche Niederlage darstellt, aber die Realitäten sind gegeben, ein TSG wie es dir vorschwebt wird es so schnell nicht geben.
nicole.f
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Re: TSG - Nein danke?

Post 107 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Nur damit das nicht missverstanden wird, es geht mir beim Kampf gegen die Begutachtung nicht um mich. Ich weiß genau zu welchen Gutachter_innen ich gehen müsste und weiß genau, dass das keine unangenehmen Gespräche würden. Ich weiß, wie ich den Antrag zu stellen haben und was dazu gehört. Ich würde daraus, zwar echauffiert, aber unbeschadet hervorgehen. Auch die Kosten wären für mich ärgerlich, aber kein Problem.

Nein, es geht mir hier um das Prinzip - und das ich mich kenne. Mein Elan Dinge verändern zu wollen lässt leider dramatisch nach, wenn es mich nicht mehr direkt betrifft. Sollte ich also in der Tat einknicken und die Prozedur über mich ergehen lassen, dann habe ich einen nur noch deutlich geringeren Druck, mich weiter dagegen einzusetzen. Und ja, ich kann es nicht verleugnen, ich hätte auch das Gefühl verloren zu haben, klein bei gegeben zu haben. Das schmerzt.

Ich warte jetzt noch ein wenig, bis Ende des Jahres, bis endlich ein Gesetz zur Dritten Option beschlossen ist. Vielleicht geschieht noch ein Wunder es wird doch trans* inklusiv und ohne Gutachten? Und ich werde abwarten, wie sich der Job weiter entwickelt und ob ich wirklich mehr und länger in die Staaten muss. Nächste Woche bin ich wieder bis Weihnachten in Kalifornien, wo in jedem Betrieb die Arbeiter_innenrechte ausgehängt werden müssen, so wie bei uns das Jugendschutzgesetz in Kneipen. In Kalifornien gehören dazu auch die Antidiskriminierungsrechte für Transgender - wie großartig ist das denn!? Die hängen dort in jedem Betrieb - jedem! Sie müssen! Stell sich mal einer vor, die Kernsätze des AGG müssten hier in jedem Betrieb ausgehängt werden? Kalifornien ist recht sicher für uns.

Liebe Grüße
nicole
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ExuserIn-2019-12-18
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Re: TSG - Nein danke?

Post 108 im Thema

Beitrag von ExuserIn-2019-12-18 »

https://www.gesetze-im-internet.de/tsg/ ... G000400311 

Guten Morgen,

ich bin ja etwas unbedarft an das Thema herangegangen. Ich habe die Diskussion über das TSG im "Bekanntenkreis" verfolgt und es ist für mich eindeutig nicht mehr Up-To-Date! Aber, es gibt zumindest ein Verfahren, das es Transidenten Menschen ermöglicht Ihren Weg auch formaljuristisch zu gehen.

Erster Abschnitt
Änderung der Vornamen
§ 1 Voraussetzungen

(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn
1. sie sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben,
2. mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und
3. sie
a) Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist,
b) als Staatenloser oder heimatloser Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,
c) als Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling ihren Wohnsitz im Inland hat oder
d) als Ausländer, dessen Heimatrecht keine diesem Gesetz vergleichbare Regelung kennt,
aa) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt oder
bb) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhält.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will.
....

§ 4 Gerichtliches Verfahren

(1) Auf das gerichtliche Verfahren sind die Vorschriften des Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Das Gericht hört den Antragsteller persönlich an.
(3) Das Gericht darf einem Antrag nach § 1 nur stattgeben, nachdem es die Gutachten von zwei Sachverständigen eingeholt hat, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut sind. Die Sachverständigen müssen unabhängig voneinander tätig werden; in ihren Gutachten haben sie auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird.
(4) ...
Soweit OK, in Bezug auf die Gutachten eher fragwürdig. Ich frage mich auch wo den jetzt der Ermessensspielraum des Richters ist .... und erst Recht, auf welcher Grundlage denn so ein Gutachten inhaltlich erstellt wird Denn eigentlich würde ja nach einer Begutachtung ein Zweizeiler reichen, oder ein Formular JA ( )/Nein ( ) zum Ankreuzen. Das ist das Einzige, was im Grunde den Richter nachher interessiert (oder?). Dann wären wir ja auch bei verträglichen Kosten ...
By the way: Kennt jemand die offiziellen, inhaltlichen Anforderungen für die Gutachten? Würde mich wirklich interessieren. Normalerweise kenne ich es so, wer bestellt bezahlt! In diesem Fall bestelle ich nicht, sondern das Gericht. Wenn ich dann bezahlen soll, würde ich zumindest wissen für was ich bezahle ;)

Richtig schräg wird es dann aber bei:

Zweiter Abschnitt
Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit
§ 8 Voraussetzungen

(1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben, ist vom Gericht festzustellen, daß sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, wenn sie
1. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt,
2. (weggefallen)
3. dauernd fortpflanzungsunfähig ist und
4. sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.
(2) In dem Antrag sind die Vornamen anzugeben, die der Antragsteller künftig führen will; dies ist nicht erforderlich, wenn seine Vornamen bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.
Fußnote

§ 8 Abs. 1 Nr. 3 u. 4: Nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit GG unvereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar gem. BVerfGE v. 11.1.2011 I 224 - 1 BvR 3295/07
§ 8 Abs. 1 Nr. 1: Nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit d. GG unvereinbar und daher nichtig, BVerfGE v. 16.3.1982 I 619 - 1 BvR 938/81 -


§ 9 Gerichtliches Verfahren

(1) Kann dem Antrag nur deshalb nicht stattgegeben werden, weil der Antragsteller sich einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff noch nicht unterzogen hat oder noch nicht dauernd fortpflanzungsunfähig ist, so stellt das Gericht dies vorab fest. Gegen die Entscheidung steht den Beteiligten die sofortige Beschwerde zu.
(2) Ist die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 unanfechtbar und sind die dort genannten Hinderungsgründe inzwischen entfallen, so trifft das Gericht die Entscheidung nach § 8. Dabei ist es an seine Feststellungen in der Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 gebunden.
(3) Die §§ 2 bis 4 und 6 gelten entsprechend; die Gutachten sind auch darauf zu erstrecken, ob die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 vorliegen. In der Entscheidung auf Grund von § 8 und in der Endentscheidung nach Absatz 2 sind auch die Vornamen des Antragstellers zu ändern, es sei denn, daß diese bereits auf Grund von § 1 geändert worden sind.
Ich bin echt geschockt! Da wird der § 8 quasi durch Urteile pulverisiert, so dass nur noch der erste Satz übrig bleibt. Jeder "normale" Mensch kratzt sich da doch an den Hinterkopf und hat Fragezeichen im Gesicht. Im Grunde würde hier ja die Arbeitsbescheinigung bzw. Arbeitszeugnis des AG reichen?! Oder wieder so ein Zweizeiler, diesmal vom Hausarzt!?!

Man kann es am Ende drehen und wenden wie man möchte. Das Gesetzt ist eine legale Möglichkeit seinen Namen und Personenstand zu ändert (PUNKT).
Dennoch ist es total überholt! In Teilen sicher unmenschlich und finanziell für die arbeitende Bevölkerung äußerst ungerecht! Mir fehlen klare Anforderungen an die Gutachten und ich bezweifle, dass Gutachten in diesen Umfängen für den richterliche Entscheidung notwendig sind (da sie dann ja auch öffentlich und aktenkundig sind). Ein zweiseitige Stellungnahme sollte im Regelfall völlig ausreichend sein!
Persönlich finde ich, dass das Gesetz einen großen Haken hat! Die Hürden für die Namensänderung ist genauso groß, wie die Hürde für den Geschlechtseintrag. Ich fände es tatsächlich besser, wenn die Namensänderung wesentlich vereinfacht werden würde. Grade, im Alltagsleben und grade in den ersten drei "Erprobungs-"Jahren würde mir dies das Leben deutlich erleichtern und dann wäre auch die Krux mit dem dgti-Ausweis völlig überflüssig. Ach ja, aber dann würde im Ausweis und in Verträgen ja "Herr Vanessa B." stehen .... auch nicht hübsch, also warum gibt es überhaupt die Trennung in §4 und §8?

Ich glaube nicht, dass wir trotz der zahlreichen Aktivistinnen eine baldige Änderung bekommen, geschweige denn die Abschaffung des TSG. Und im Übrigen sind hier ja Interpersonen völlig außen vor. Also BITTE: eimal alles neu machen ...

In sofern, werde ich meine eigenen, persönlichen Erfahrungen mit diesem Gesetz machen ...

Liebe Grüße
Vanessa
MichiWell
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Re: TSG - Nein danke?

Post 109 im Thema

Beitrag von MichiWell »

nicole.f hat geschrieben: So 2. Dez 2018, 02:59 Nein, es geht mir hier um das Prinzip - und das ich mich kenne. Mein Elan Dinge verändern zu wollen lässt leider dramatisch nach, wenn es mich nicht mehr direkt betrifft. Sollte ich also in der Tat einknicken und die Prozedur über mich ergehen lassen, dann habe ich einen nur noch deutlich geringeren Druck, mich weiter dagegen einzusetzen. Und ja, ich kann es nicht verleugnen, ich hätte auch das Gefühl verloren zu haben, klein bei gegeben zu haben. Das schmerzt.
Hallo Nicole,

diese Worte ... ich kann dich sehr gut verstehen. Ich bewundere dich für deinen Einsatz.

Tatsächlich geht es allen Menschen so, dass ihr Elan nachlässt, wenn sie etwas nicht mehr betrifft. Aber den wenigsten ist es auch bewusst, und noch weniger sind bereit da aktiv gegenzusteuern.


Liebe Grüße
Michi
Brauchst Du Hilfe und hast niemanden zum quatschen? Dann schick mir ´ne PN!
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Re: TSG - Nein danke?

Post 110 im Thema

Beitrag von MichiWell »

VanessaL hat geschrieben: So 2. Dez 2018, 06:22 [...] es gibt zumindest ein Verfahren, das es Transidenten Menschen ermöglicht Ihren Weg auch formaljuristisch zu gehen.

Soweit OK, in Bezug auf die Gutachten eher fragwürdig. Ich frage mich auch wo den jetzt der Ermessensspielraum des Richters ist .... und erst Recht, auf welcher Grundlage denn so ein Gutachten inhaltlich erstellt wird [...]

By the way: Kennt jemand die offiziellen, inhaltlichen Anforderungen für die Gutachten? [...]

Ich bin echt geschockt! Da wird der § 8 quasi durch Urteile pulverisiert, so dass nur noch der erste Satz übrig bleibt. Jeder "normale" Mensch kratzt sich da doch an den Hinterkopf und hat Fragezeichen im Gesicht. [...]

Man kann es am Ende drehen und wenden wie man möchte. Das Gesetzt ist eine legale Möglichkeit seinen Namen und Personenstand zu ändert (PUNKT).
[...]
Hallo Vanessa,

mit Blick auf das Problem, was ich mal anhand von ein paar zitierten Passagen zu illustrieren versucht habe, möchte ich mal versuchen, es auf den Punkt zu bringen:

Das TSG verschafft den Betroffenen keine Rechtssicherheit, keine Gerechtigkeit. Es erhebt vielmehr Willkür zu geltendem Recht. Es degradiert die Betroffenen zu Bittstellern, die allein vom Wohlwollen der Gutachter und Richter abhängig sind.

Dass du schreibst, dass sich jeder "normale" Mensch am Kopf kratzt, ehr zwar die Menschen, abder zumeist leider zu Unrecht. Den Allermeisten geht jedwedes Thema meilenweit am Arsch vorbei, so lange sie nicht persönlich oder zumindest mittelbar, also über Angehörige oder gute Bekannte, betroffen sind.

Isso! Leider.


Liebe Grüße
Michi
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Re: TSG - Nein danke?

Post 111 im Thema

Beitrag von Anne-Mette »

Moin,

"reine Willkür" gilt nicht in allen Fällen, es ist eher so, wie es unser alter Chemie-Lehrer in seinen Beurteilungen sagte: "... es kommt darauf an...".
Mal ganz abgesehen davon, dass wir schon seit vielen Jahren fordern: "Weg mit der Zwangsgutachterei", können einige AntragstellerInnen das "ganz easy regeln:
kurzes Gespräch bei beiden GutachterInnen, kurzes Gespräch mit RichterIn - und schon "alles erledigt".
Allerdings kenne ich auch Fälle, wo die GutachterInnen die Antragsteller "am langen Arm haben verhungern lassen".
Ich habe etliche Anrufe von Menschen bekommen, die völlig unnötige Schwierigkeiten im Berufsleben hatten, weil sich die Angelegenheit sehr lange hingezogen hat.
Chef und MitarbeiterInnen: "so lange Du nicht Deine richtigen Papiere hast, kommst Du nicht als Frau/Mann und wir sprechen Dich auch nicht mit dem neuen Namen an!
... und Du gehst natürlich auf die richtige Toilette!"
Gutachter: "wenn Sie richtig transsexuell wären, dann würden Sie aber auch 100%ig als Frau/Mann leben...".

Wenn ich zurückblicke auf 11 Jahre Forumgeschichte, dann muss ich sagen, dass sich in den vielen Jahren nicht viel "für alle" getan hat.
Noch ist Mann und Frau davon abhängig, welche GutachterInnen ihre Stellungnahme abgeben. Was in dem einen Fall ganz easy läuft, kann in einem anderen Fall bei "anderer Besetzung" ganz anders aussehen.

Wir haben viel Lebens- und Arbeitszeit gegeben, um Veränderungen zu erreichen, haben Petitionen und Resolutionen unterzeichnet, mit PolitikerInnen gesprochen und ihnen geschrieben, wir haben uns vernetzt, wir haben Vorschläge gemacht, haben Info-Stände aufgebaut, Leserbriefe und Artikel geschrieben, Interviews gegeben, uns in Vereinen organisiert...
... aber wir sind nicht sehr weit gekommen. Immer noch ist es (auch) vom persönlichen Glück und von den persönlichen Lebensumständen abhängig, ob es reibungslos klappt oder auch nicht.

Dass der Elan bei einigen AktivistInnen weniger wird, kann ich verstehen. Das geht mir auch so. Das ist allerdings nicht nur fehlenden Erfolgserlebnissen geschuldet, sondern liegt auch daran, dass sich "persönliche Pflichten" verlagert haben und daran, dass ich ein Alter erreicht habe, in dem ich mich langsam frage:
"was soll da noch kommen - und WANN?"
Eben kam eine Einladung vom Dorfausschuss: NEIN, nicht zum Kleinweihnachtsabend der Frauen, sondern zur Senioren-Weihnachtsfeier (aber wir als Zwei-Frauen-Paar).

Gruß
Anne-Mette
Bianca D.
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Re: TSG - Nein danke?

Post 112 im Thema

Beitrag von Bianca D. »

Moin Nicole,

danke für deinen unermüdlichen Einsatz in der Sache, der leider bisher noch nicht von Erfolg gekrönt wurde. Ich selbst habe damals auf leidvolle Art erfahren müssen, was diese Begutachtung für Auswirkungen hat und daher würde ich es für alle kommenden Generation von Trans Menschen begrüßen, wenn dieser Unsinn endlich abgeschafft würde. Rückblickend sind die Erinnerungen schon verblaßt, es bleibt das unangenehme Gefühl, damals etwas über sich ergehen lassen zu müssen, um etwas Größeres zu erreichen (leben mit korrekten Papieren, sich nicht bei jeder Polizeikontrolle erklären zu müssen, Reisefreiheit etc..).
nicole.f hat geschrieben: Sa 1. Dez 2018, 20:05 Es kann sogar durchaus sein, dass ich im kommenden Jahr immer mal wieder für längere Zeit (einige Monate) in die USA darf / muss.

Oh weh, das würde ich nach Möglichkeit aber abbiegen. So lange die Trump Administration das Sagen auf der anderen Seite des Großen Teichs hat, setze ich keinen Fuß mehr in dieses an sich reizvolle Land. Denn auch korrekte Papiere schützen dich nicht bei der Einreise vor der Willkür der Homeland Security.
nicole.f hat geschrieben: So 2. Dez 2018, 02:59 ch weiß genau zu welchen Gutachter_innen ich gehen müsste
Wieso kannst du die auswählen? Ich hatte damals zwei vorgeschlagen, davon wurde einer auch vom Gericht bestellt, der Andere jedoch nicht. Da hat das Gericht einen anderen genommen. Letzterer war dann auch derjenige, der während des Termins seine Befugnisse überschritten hat.

Ich wünsche Dir auf jeden Fall viel Erfolg im nächsten Jahr für dein Engagement für die Sache, aber auch für deinen eigenen Antrag.

LG Bianca
Ick wees nüscht,kann nüscht,hab aba jede Menge Potenzial
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Re: TSG - Nein danke?

Post 113 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Ihr Lieben,
finde ich ja super schön, dass wir uns hier gegenseitig etwas beim "Ausheulen" unterstützen - es ist zum heulen.

Ja, wir müssen auch froh sein, dass TSG seit 1981 zu haben. In vielen vielen vielen Ländern gibt es gar keine solchen Gesetz und Menschen dort können weder Geburtsurkunde noch andere Papiere jemals ändern - wie schrecklich ist das den? Der §5 des TSG ist eine schier geniale Erfindung! Dieser ist der Hebel, mit dem wir verlangen können, Zeugnisse und amtliche Unterlagen anpassen zu lassen. Das ist schon großartig! Und das sollten wir, bei aller Kritik, nicht vergessen. Ich führe ja gerne die USA als Beispiel an. In den USA kann man in praktisch keinem Bundesstaat die Geburtsurkunde ändern lassen. Kommt es hart auf hart, kommt also immer wieder die alte Identität auf den Tisch.

Aber dennoch, die Gutachten sind erniedrigend und entmenschlichend und sie öffnen den Weg für Willkür und Beliebigkeit. Wie Anne-Mette es auch berichtet, wie die Fälle die ich kenne und die weiteren von denen wir wissen und gehört haben, das Verfahren ist alles andere als objektiv. Objektivität ist die Grundlage von Recht und Gerechtigkeit. Nicht objektiv zu sein bedeutet also auch mögliches Unrecht. Staatlich sanktioniertes Unrecht kann niemals akzeptabel sein.

Die Begründung der Ablehnung meiner Verfassungsbeschwerde zeigt sehr klar, dass das BVerfG von diesem Unrecht nichts weiß und nichts sieht. Wir haben jahrelang versucht, auf einer sachlichen Ebene zu argumentieren, sachlich darzulegen warum die Bestimmungen des TSG gegen Grund- und Menschenrechte verstoßen, ja sogar auch wissenschaftlich heute nicht mehr haltbar sind. Vielleicht ist es an der Zeit mit konkreten Fallbeispielen aufzuzeigen, wie kaputt dieses Verfahren tatsächlich ist, welcher Beliebigkeit und Willkür trans* Personen ausgesetzt sind und wie traumatisierend diese Verfahren tatsächlich sind?

Ich glaube, das hat bisher noch niemand zusammengetragen, jedenfalls wüsste ich nicht davon. Und ich glaube auch, dass das vielleicht etwas bewegen könnte, wenn man dies einmal täte. Konkrete tatsächliche Schicksale. Vielleicht wird es dann endlich für Politiker_innen klar, was da passiert und warum dringender Handlungsbedarf besteht. Ohwei, ich glaube das ist eine gute Idee und ich werde mir mal überlegen, wie man das gut machen könnte.


Zurück zu den Fragen zu den Grundlagen des TSG. Das TSG selbst gibt recht klar vor, was die zu begutachtenden Fragen sind. In §1 Abschnitt (1) 1. und 2.:
§ 1 Voraussetzungen

(1) Die Vornamen einer Person sind auf ihren Antrag vom Gericht zu ändern, wenn
1. sie sich auf Grund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben,
2. mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird, und
Das Bundesverfassungsgericht hat im Oktober 2017 festgestellt:
https://www.bundesverfassungsgericht.de ... 74717.html 
Absatz 12:
a) Die Begutachtung nach § 4 Abs. 3 TSG darf sich nur auf solche Aspekte beziehen, die für die sachliche Aufklärung der in § 1 Abs. 1 TSG normierten Voraussetzungen des Namens- und Personenstandswechsels relevant sind. Wenn sich - wie die beschwerdeführende Person unter Berufung auf empirische Studien geltend macht - Begutachtungen nach § 4 Abs. 3 TSG in der Praxis auf Informationen erstrecken sollten, die nach heute geltenden diagnostischen Kriterien zur Feststellung der Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 TSG nicht relevant sind, ist dies durch § 4 Abs. 3 TSG nicht gedeckt. Vor allem wegen des regelmäßig intimen Charakters der Fragen, die in der Begutachtung nach § 4 Abs. 3 TSG gestellt werden, beeinträchtigt dies die Grundrechte der Betroffenen. Die Gerichte haben daher bei der Erteilung des Gutachtenauftrags und bei der Verwertung des Gutachtens insbesondere darauf zu achten, dass die Betroffenen nicht der Begutachtung hinsichtlich solcher Fragen ausgesetzt sind, die für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 TSG keine Bedeutung haben. Außerdem darf das Gutachtenverfahren nach § 4 Abs. 3 TSG nicht dazu genutzt werden, die Betroffenen zu einer therapeutischen Behandlung ihrer (als vermeintliche Krankheit begriffenen) Transsexualität hinzuführen.
Mit anderen Worten, ausschließlich die beiden Fragen des TSG §1 sind Gegenstand der Begutachtung und nichts anderes.

Das Problem ist nur, wie soll eine dritte Person, also ein_e Gutachter_in, objektiv diesen "Zwang" feststellen? Und belegen, dass dieser bereits seit mindestens drei Jahren besteht? Und nicht mehr verschwinden wird?

Hierzu schrieb Annette Güldenring bereits 2013 in der Ausgabe 26 der Zeitschrift für Sexualforschung:
Die Fremddiagnostik geschlechtlichen Empfindens, wie sie im TSG-Verfahren praktiziert wird, entbehrt danach einer methodischen Grundlage und ist keinen Tag länger zu vertreten. Geschlechtsempfinden sollte endlich als subjektives Empfinden anerkannt werden, mit Recht auf Selbstbestimmung und ungestörten Lebensraum. ... Nach Auffassung der Autorin sind Psychiatrie und Psychologie wie auch andere fachverwandte Disziplinen nicht in der Lage, objektive und objektivierbare Aussagen zur Geschlechtsbegutachtung zu treffen. Ihre Funktion im TSG ist nach dieser Auffassung hinfällig, darüber hinaus für Menschen mit non-konformem Geschlechtsempfinden durch die Tendenz zur Psychiatrisierung entwicklungs- und gesundheitsgefährdend...
Genau hier liegt die Crux, es gibt keine objektivierbaren Kriterien, die im Rahmen einer Begutachtung untersucht werden könnten und dies ist die grundlegende Fehlannahme dieses Verfahrens. Persönliches geschlechtliches Empfinden kann von außen durch Dritte nicht festgestellt werden. Dies ist die grundlegende Erkenntnis, die seit Jahren dafür sorgt, dass aus Sicht der Menschenrechtssituation Organisationen wie UNO, Europaparlament oder Europäischer Rat die Abschaffung der medizinischen Begutachtung fordern, warum der ICD-11 angepasst wurde und warum die neue AWMF S3 Leitlinie im Prinzip nur noch ein informiertes Einverständnis vorsieht. Warum? Weil niemand etwas anderes kann, es geht schlicht nicht.

Wie gerichtliche Gutachten aufzubauen und zu formulieren sind, ist recht genau geregelt, dafür gibt es jahrzehntelange Praxis - die im Übrigen für alle Gerichtsgutachten gilt. Es beginnt mit der Fragestellung, es folgt die Beschreibung des Sachstandes und endet mit der sachverständigen Aussage der Gutachter_in. Solche Gutachten sind _kein_ Urteil. Die Richter_innen entscheiden unabhängig, d.h. sie können sich über die Gutachten hinwegsetzen. Die Gutachten sind eine Entscheidungshilfe, nicht aber eine Vorwegnahme der Entscheidung, diese trifft die Richter_in.

Da weder Gutachter_innen noch Richter_innen objektivierbare Kriterien zur Hand haben (s.o.), laufen diese Verfahren dann leider in der uns bekannt scheinbar willkürlichen Art und Weise ab. Jede_r versucht auf ihre Art und Weise und nach ihrem Verständnis von Geschlecht und Einschätzung des "Zwangs" irgendeinen Maßstab anzulegen. Die einen meinen dies an Kleidung und Auftreten ablesen zu können, andere an Merkmalen der Biografie oder wie lange die Person es bereits in der "anderen Rolle" aushält. Nichts von alledem ist relevant oder gar aussagekräftig. Gemacht wird es dennoch. Sie wissen es nicht besser.

Daher muss das weg. Es kann nicht verbessert werden, es kann nur entfernt werden, ersatzlos.

Liebe Grüße
nicole
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Re: TSG - Nein danke?

Post 114 im Thema

Beitrag von nicole.f »

Bianca D. hat geschrieben: So 2. Dez 2018, 12:09 nicole.f hat geschrieben: ↑
So 2. Dez 2018, 02:59
Ich weiß genau zu welchen Gutachter_innen ich gehen müsste

Wieso kannst du die auswählen? Ich hatte damals zwei vorgeschlagen, davon wurde einer auch vom Gericht bestellt, der Andere jedoch nicht. Da hat das Gericht einen anderen genommen. Letzterer war dann auch derjenige, der während des Termins seine Befugnisse überschritten hat.
Da hast Du natürlich (leider) Recht, man kann nur Gutachter_innen vorschlagen und nicht bestimmen. Viele Gerichte folgen den Vorschlägen, manche nicht und manche regelmäßig nur in Teilen. Das können die Gerichte leider, ohne Begründung. Mein zuständiges Gericht ist Dortmund und die folgten bisher beiden Vorschlägen. Aber ja, das ist keine Garantie, leider :(
Bianca D. hat geschrieben: So 2. Dez 2018, 12:09 Oh weh, das würde ich nach Möglichkeit aber abbiegen. So lange die Trump Administration das Sagen auf der anderen Seite des Großen Teichs hat, setze ich keinen Fuß mehr in dieses an sich reizvolle Land. Denn auch korrekte Papiere schützen dich nicht bei der Einreise vor der Willkür der Homeland Security.
Ich war jetzt schon vier mal in den USA, also seit meinem Coming Out, nie ein Problem und ich erwarte auch keines. Ich gebe denen ja keinen Anlass? Zudem halte ich mich überwiegend in Kalifornien auf und das ist sehr trans* freundlich (und verachtet Trump mindestens ebenso wie wir). Ja, völlig gefahrlos ist das nicht, gebe ich zu. Doch noch sehe ich keinen direkten Anlass dazu, gar nicht dorthin zu reisen. Das schlimmste was passieren kann ist, dass man mich nicht rein lässt. Nun gut, dann fliege ich zurück, Firma zahlt und das war's dann für USA Reisen für's erste.

Liebe Grüße
nicole
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