Ich möchte auf das Thema und auf Jaddys Eingangsbeitrag zurück kommen.
Die Information über Kosten der GAOP und der Vergleich mit andern Gesundheitskosten ist gut. Ich sehe das auch so mit den Kostentreibern bei den andern Krankheitskosten. Aber die Schlussfolgerung ist falsch.
Und
"Es bringt nichts, verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen."
Es hat niemand hier die Kostenübernahme der GAOP in Frage gestellt. Der Anlaß für das Thema waren Kosten für weitergehende Operationen.
Darüber gibt es nun mal geteilte Meinungen. Ich bin da nicht mal eindeutig auf einer Seite, darauf kommt es auch nicht an. Ich betone ausdrücklich -
ich beurteile NICHT die einzelnen TS OPs/Therapien und was davon und bei wem bezahlt werden sollte.
Also ist es bei mir keine "Ignoranz ("mir doch egal wie es dir geht")" (das andere sowieso nicht...), sondern ich finde es richtig, daß darüber die Kassen entscheiden und hier keine Extrawurst gemacht wird.
Was mich stört ist die fragwürdige Argumentation. Dazu meine Gedanken:
- wenn man die Kosten verschiedener Krankheiten (ja, ich weiß, TS ist keine, aber hier zählt es halt so...) vergleicht, dann muß man sie auch in Relation zu der Zahl betroffener setzen, bevor man ein "Urteil" über die Rechtmässigkeit trifft. Also wieviele sind TS, wieviele haben Kreislauferkrankungen (usw) d.h. wieviel kostet die Behandlung pro Person ? sonst ist es nur die halbe Wahrheit.
Und selbstverständlich soll die Solidargemeinschaft auch für - von welcher Krankheit auch immer - betroffene Patienten, die mehr Kosten verursachen, einstehen.
- TS ist formell eine (psychische) Krankheit, deshalb werden Behandlungen ja auch bezahlt. Psychische Krankheiten sind genauso zu behandeln wie physische (sagt man so ?), also gleichberechtigt. Welche von den möglichen OPs etc sollen bezahlt werden ? Du sagst, ALLE um die Dysphorie zu beheben. Die ist aber erst behoben, wenn alle Wünsche des Patienten erfüllt sind, und vielleicht nicht mal dann. Das umfasst Behandlungen, die bei andern Menschen als Schönheitsoperationen zählen. Hat der TS ein Sonderrecht gegenüber andern Patienten ? Kann er einfach sagen, 'ich brauche das, damit ich mein psychisches Problem löse' ? Ich finde nein. Das wäre ein Blankoscheck. Deshalb muß die Entscheidung von aussen (Kasse bzw Politik) über allgemeine Regelungen oder Einzelfallregelung getroffen werden.
- "Geld ist genug im System" . Es ist viel Geld im System. Das ist auch gut so, denn es wird auch viel Geld gebraucht, weil Gesundheitsversorgung ein hohes gesellschaftliches Gut ist. Aber bitte - es wird auch von der Gesellschaft bezahlt und die kann nicht BELIEBIG viel zahlen. Da braucht man sich doch nicht in die Tasche lügen !
Die andern Beiträge zeigen, daß man natürlicherweise über verschiedene Posten der Krankenversorgung verschiedener Meinung sein kann. Es gibt eben nicht die einfache Lösung - alles bezahlen oder streichen. Es ist gut , wenn man Dinge in Frage stellt, und dann muß es einen Interessenausgleich bzw eine möglichst gerechte Lösung geben. Das ist letzlich eine politische Entscheidung.
z.B. Sport :
ist Abfahrtskifahren ein Risikosport der die Kassen übermässig belastet ? ich finde zwar, daß das nicht so viel mit Sport zu tun hat, eher Konsum, aber der darf ja auch sein. Es gibt viele Brüche. Aber ich habe noch nie Zahlen gesehen, die die Kosten in Relation zu der Anzahl (oder Dauer) der "Sportler" gesetzt haben. Wie soll man das dann bewerten ?
Bergsteigen: die Grenzen zwischen bergwandern und bergsteigen und klettern sind fliessend. Die Gefahren sind ungleich verteilt, die Menschen die es praktizieren erst recht. Vom gesundheitsbewussten verantwortungsvollen bis zum todessehnsüchtigen. Der in der Summe gesundheitlich positive Aspekt im Vergleich zu den Kosten ist schwer kalkulierbar.
Fußball: ich glaube bei Verletzungen steht der an der Spitze. Keiner würde auf die Idee kommen, deshalb alle Fussballverletzungen selbst bezahlen zu lassen.
Kathi87 hat geschrieben: ↑So 18. Okt 2020, 17:40
Fettleibigkeit eine Volkskrankheit, jemand der sich aus eigener Kraft runter vom Gewicht kämpft und eine Schürze behält muss dafür kämpfen eine Op zur Entfernung der Schürze zu bekommen.
Lass ich mir ein Magenband einsetzen weil ich es aus eigener Kraft nicht auf die Kette bekommen, gehört das zum Palet dazu.
schönes Beispiel, dasselbe habe ich mir auch gedacht, als ich darüber mal einen Bericht gesehen habe ! Ich würde stattdessen auch lieber die Schürzenoperation bezahlen. Dann gibt es wieder Stimmen - die Magen-OPs sind seltene Operationen und auch nicht besonders teuer, fällt gar nicht in's Gewicht, die Leute können es nicht anders ...
ich will noch 2 neue Beispiele nennen:
- knausrig ist die Kasse bei Physiotherapie. Die Therapie kann sehr effektiv sein, die Kosten dafür sind gering, zu Lasten der Physiotherapeuten. Trotzdem hängt es vom Arzt und den Kassen ab, ob und wieviel man verschrieben bekommt. Dagegen könnte man jetzt wieder argumentieren: viele Patienten sind zu bequem, lassen sich massieren und tun selber nix. Schwierig.
- ein hoher Kostenfaktor sind Krebstherapien bzw Krebsmedikamente. Die Kosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen.
hier wird die Problematik anschaulich erklärt:
https://www.quarks.de/gesundheit/medizi ... ente-sein/
Soll man jetzt ALLES bezahlen , weil es eine lebensbedrohende Krankheit ist ?
Wenn man so denkt, dann verliert man den Blick für's gesamte: was ist der Mehrwert des Medikaments - wieviel lebensverlängernd, welche Nebenwirkungen, welche Risiken ? was kostet es die Gesellschaft, welche andern Krankheiten könnte und würde man stattdessen behandeln ? etc.
Ja, ich weiß, es mag manchmal hart klingen, wenn man den finanziellen Aspekt betont. Ich will nur den Blick auf die Realität schärfen.
Habt ihr schon mal in die Finanzmagazine geschaut ? oder kriegt ihr manchmal von eurer Bank ein Schreiben mit Anlagetipps ? Mir fällt schon seit Jahren auf, da wird immer wieder betont, daß die gesamte "Gesundheitsbranche" (nicht nur Pharma) ein Wachstumsmarkt ist, der in Deutschland ausgezeichnete Gewinnaussichten verspricht, da solle man doch investieren. Das sind nicht irgendwelche linken Theorien, im Gegenteil, das kommt von den Akteuren selbst.
Goldmann Sachs hat eine Studie dazu verfasst (in diesem Fall geht es um Medikamente), darüber kann man hier nachlesen:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung. ... -geschaeft
Deutschland und Europa ist bevorzugtes Ziel, gerade weil wir ein System mit gesetzlichen Krankenkassen haben, wo viel Geld zu holen ist. Da kann man die Lobbies ganz gezielt auf die Entscheidungsträger loslassen und hat dann gesicherte Erträge.
Weil ich möchte, daß wir unser solidarisches Gesundheitssystem vor solchen Angriffen schützen, damit es für
uns da ist, und nicht für's Geld, deshalb müssen wir es auch kritisch beobachten, das heißt auch auf's Geld schauen.
habt es gut,

ascona