inzwischen sind seit der Trennung von Denies gut 3 Jahre vergangen und obwohl ich einen Neuanfang habe (Umzug und berufliche Veränderung und einiges mehr), ist das Thema Transidentität geblieben, hauptsächlich beruflich.
Als ich Denies kennenlernte, spürte ich, dieser Mensch ist nicht er selbst und so sagte ich auch ziemlich schon am Anfang: ich möchte, dass du bist wie du bist. Wie soll ich dich sonst wirklich kennenlernen? Selbst, wenn es bedeutet, dass wir uns trennen, so möchte ich den wahren Menschen erfahren dürfen.
Für Denies war es eine große Erleichterung, sich nicht mehr in eine Rolle pressen zu sollen, in der sie sich nicht wohlfühlte, nur um eine „funktionierende“ Beziehung haben zu können.
Es kam der Tag, an dem Denies sich aus der Arbeitswelt herausziehen konnte und plötzlich mehr Zeit hatte, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie sagte mir irgendwann dann „ich würde es gerne selbst probieren, wie es ist, Frauenkleider zu tragen“.
Wir haben immer viel und auch offen über alles miteinander gesprochen und sie sagte und zeigte mir auch ihre online Erfahrungen sowie Recherchen. Mir war bewußt, „da ist etwas“.
Damals ahnte ich schon, da will etwas aus ihr raus. Als ich das hörte, habe ich nicht lange gefackelt, Sachen von mir geholt: anziehen.
Das trat etwas los und es arbeitete in ihr.
Den Weg habe ich im Forum beschrieben, wer also mehr lesen möchte, findet hier im Forum meine damaligen Erfahrungen und den gemeinsamen Weg der Veränderung.
Hier die Threads dazu:
Ein verändertes Leben beginnt
viewtopic.php?f=3&t=12763
Denies, DeDee und Ulla – ein verändertes Leben geht weiter
viewtopic.php?t=12913&hilit=Ein+ver%C3% ... en+beginnt
Auf diesem Weg habe ich sehr viel über mich, Denies und andere Menschen erfahren. Ich blickte intensiver denn je über den Tellerrand und diese Erfahrung lehrte mich, es gibt immer weit mehr als das offen Sichbare. Ein Tellerrand hat (fast) aufgehört zu existieren.
Damals war für Denies und mich klar, dass wir gerne mit anderen Menschen arbeiten wollten und arbeiteten daher auch viel im inneren an uns/mit uns.
Vorträge, Hörbücher, Bücher, Seminare und viele stundenlange Gespräche hatten wir gemeinsam.
Die Transition hat natürlich alles verändert. Da ich mit meiner Familie im Konflikt lag, wußte nur meine Tochter von der Transition und ich empfand es fast schon als etwas Natürliches, dass sich damit auch der Freundeskreis wandeln konnte/würde. Die Familie von Denies hatte teilweise ihre Herausforderung, aber sie setzten sich damit auseinander so gut sie es konnten und die Familientreffen blieben.
Veränderungen nahmen ihren Lauf. Von Nägel lackieren, über Frauenkleidung tragen bis hin zur Gewißheit, dass die Angleichung wichtig wurde komplett bis hin zur GaOp, habe ich die gesamte Zeit begleitet und die Herausforderungen angenommen. In vielem war ich auf mich selbst zurückgeworfen, was ich auch erwartet habe und zu einer Auseinandersetzung mit der Partnerschaft dazu gehört. Während der Transition stärker als in einer enormen akuten Situation von Veränderung ohne Transidentität.
Denies ging den Weg entschlossen und zügig. Ich habe ihr ihr Tempo gelassen.
Insgesamt habe ich in den oben genannten Threads ziemlich ausführlich darüber geschrieben und meine Gedankengänge deswegen hier eher angerissen.
Nachdem die Op abgeschlossen war, wurde es für mich Zeit, eigene Veränderungen und Wege stärker zu leben.
Wir wollten in die Beratung gehen, doch für Denies war klar, dass dies für sie erst einmal eher in die Ferne gerückt war, aber für mich umso näher lag.
Relativ schnell merkte ich, so wie ich die Ausbildungen geplant habe, würde es nicht funktionieren. Die Ausbildung zum systemischen Familienaufsteller nach Bert Hellinger schob sich direkt in den Vordergrund.
Das brachte Veränderung pur nun von meiner Seite – wie eine eigene Art Transformation. Ich fand meinen familiären Frieden und bereinigte, was ich an Vergangenheit noch mit mir herumschleppte im höchstmöglichen Maß im Rahmen der Ausbildungsarbeit. So wie Denies intensiv den Weg der Transition ging, so war mein Weg zum Familienaufsteller ebenfalls intensiv.
Mein Weg brachte die Trennung von Denies. Nie hätte ich geglaubt, dass ich mich von diesem Menschen trennen würde und doch kam die Klarheit, dass es sein muss und so fand ich mich beim Abendessen mit Denies wieder und bat sie, einen freundlichen Weg der Trennung zu finden.
Über die Gründe schreibe ich nicht, denn ich schätze sie immer noch als einen wertvollen Menschen und möchte freundlich und wertschätzend zurückschauen.
In der Zeit, selbst bevor ich Denies kennenlernte, habe ich mich sehr damit beschäftigt, was Liebe bedeutet. Ich habe viel erfahren über Liebe als Schöpferkraft und dass damit auf der emotionalen Ebene bedingungslose Liebe einhergeht. Doch in Seminaren dem zu begegnen, ist etwas anderes als zu spüren, was für eine große Bedeutung es hat, dies im Leben auch umzusetzen. So sehr man sich lernend vorwärts bewegt, geht die Gewißheit einher, daß es kein Ende des Lernens gibt.
Die Transition war eine einzige Lektion aus Loslassen, Selbsterkenntnis und das Umsetzen, was Liebe wirklich bedeutet. Wie weit ich gekommen bin, keine Ahnung.
Erfahren habe ich sehr viele Feinheiten wie weit gefächert Gefühle sein können und selbst der Umgang mit schmerzhaften Erfahrungen hat sich verändert.
In einem anderen früheren Beitrag habe ich schon geschrieben, was mir die Erfahrung mit Denies und der Transition gegeben hat.
Vor allem war mir schnell klar, dass ich den familiären Konflikt und die Transition zusammen nicht schaffe. Das war mir zu groß. Ich ging das Familiäre an. Denn Transidentität ist etwas, das besteht, egal, wie sehr man im Verstand dagegen kämpft. Sie findet ihren eigenen Weg an die Oberfläche und ist dabei eine starke Kraft.
Es hat mich sehr an meine Grenzen gebracht, mich noch einmal neu und anders mit der Familie, mit mir selbst und mich mit meiner Herkunft auseinander zu setzen. Das war allerdings klar, denn bisheriges hat mir keinen familiären Frieden gebracht.
Der Durchbruch dazu kam tatsächlich und es war äußerst erlösend in vielerlei Hinsicht.
Wenn also jemand sagt, dass die Auseinandersetzung mit Transsexualität keinen Stein mehr auf dem anderen lassen kann – dann kann ich dem zustimmen.
Ich kann verstehen, dass die Angst bei allen Beteiligten groß sein kann, denn ich kenne einige, die alles verloren haben von der Familie, über die Arbeit und Existenz bis hin zu Freunden. Sie standen zum Schluß komplett alleine da und der Weg wurde damit doppelt schwer.
Dem Umfeld hilft es nicht, zu versuchen, einen transidenten Menschen weiter in ein enges Korsett des bisher gemeinsam gewohnten zu pressen, denn es ändert auf keiner Seite etwas, außer das Leid um das Unvermeidliche wird mehr – viel mehr, bei allen Beteiligten.
Sicher ist es erst einmal etwas, was verkraftet werden möchte und das schafft man nur, wenn man sich diesem Thema stellt anstatt scheibchenweise mit Kompromissen das Unvermeidliche so lange wie möglich zu verzögern.
Man kann nur eins machen – hinschauen, sich anschauen, was schmerzt (ängstigt) und anerkennen, was ist und den Prozess des Verschmerzens und Loslassens gehen.
Es kann sein, dass alles, dem man sich nicht gestellt hat, was man versucht hat, zu deckeln und unter den Teppich zu kehren, hochkommt. Verschleppte Konflikte (Ängste) können in einer Beziehung mit Transidentität zu Hochform auflaufen.
Nein, nicht wirklich einfach – aber wer hat uns je versprochen, dass es einfach wird?
Die gemachten Erfahrungen möchte ich nicht missen. Sie sind ein Teil von mir, wie ich heute bin, lebe, liebe und arbeite. Sie haben auch meine Lebenseinstellung stark beeinflußt. Vor allem einen Menschen so annehmen und lieben zu können und wollen wie er ist und nicht wie er mir besser gefallen würde oder der Umgang mit ihm leichter wäre.
Was lässt eine Partnerin alles los, wenn die Wahrheit sich ihren Weg bahnt?
Zu allererst kommt ein Erkennen und Verstehen von Situationen und Begebenheiten, die bis zu diesem Zeitpunkt seltsam waren. Dann kommen die Emotionen, die von sich betrogen fühlen, Enttäuschung über Wut und weit mehr sein können.
Sie ist gezwungen die Illusion loszulassen, von dem Mann von dem sie, dachte wer oder wie er war. Denn so wie sie dachte, war der Mensch nicht.
Jahre laufen vielleicht vor dem inneren Auge vorbei und alles fühlt sich nur noch seltsam an. Das muss man verkraften und man hat in diesem Moment keine Wahl als zu spüren, ins kalte Wasser geworfen worden zu sein.
Hätte ich diesen Menschen immer noch bejaht, wenn ich es direkt und klar gewußt hätte? Einer Partnerin wird im Nachhinein bewußt, dass ihr die freie Entscheidung im wesentlichen Augenblick vorweg genommen wurde und sie keine Chance hatte, „nein“ zu sagen, wenn sie es von Anfang gewußt hätte.
Das ist etwas, das muss eine Partnerin verkraften, aber auch das Umfeld.
Man lernt, hinzusehen, wo man vielleicht aus Bequemlichkeit und Angst weggesehen hat und man lernt, in die eigene Verantwortung zu kommen, dass die seltsamen Zeichen nicht tiefer hinterfragt wurden.
Konflikte schießen hoch, Emotionen können nicht mehr in einem engen Korsett verschnürt ablaufen, sondern bahnen sich ihren Weg.
Ein weiteres Bewußtsein kommt hinzu, dass diese Fakten, die jetzt auf dem Tisch ausgebreitet sind, sich nicht mehr deckeln lassen. Was kann das an Konsequenzen haben? Ängste machen sich breit.
Damit kann eine Partnerin sich sehr allein gelassen fühlen, wenn nun der transidente Part endlich leben kann, endlich kein großes Verstecken mehr bis kein Verstecken mehr. Klar da kommt eine Frische, die beflügelt und manche regelrecht egoistisch werden lassen kann.
Die Zeit des Wissens, wie das Leben ist, wie der Alltag sich gestaltet hat bisher – all das Gewohnte kann dem Ende zugehen und man schläft vielleicht abends ein mit dem Gedanken, was kommt wohl morgen auf mich zu?
Ungewißheit kann groß werden, überwältigend. Nicht mehr zu wissen, woran man ist mit dem Menschen, den man geheiratet hat/den man liebt, kann eine bittere Erkenntnis sein.
Damit umzugehen, hat uns niemand beigebracht. Die Welt ist voller Sicherheitsdenken und hier schlägt das Leben zu und zack alle Sicherheit bekommt man unter den Füßen weggezogen.
Es gibt sehr viele Lehren jenseits der schulischen bzw. akademischen Bildung, die aufzeigen, dass das Leben Prinzipien folgt, die so alt sind wie die Menschheit selbst. Man lernt sie nur nicht mehr von den Eltern oder Großeltern. Doch ähnlich wie die Transidentität dringen sie an die Oberfläche. Sie zeigen auf, was geordnet sein möchte, damit Menschen inneren Frieden finden können. Manchmal sogar mit Hilfe der Transidentät.
Zwei Menschen, eine Familie sogar, stehen vor der Frage, wer bin ich wirklich?
Man kann diesen Weg für sich wohl am besten beschreiten, wenn man nicht den Finger auf den transidenten Part der Beziehung zeigt, sondern auf sich selbst.
Was ist für mich jetzt genauso wichtig wie für meine transidente Partnerin die Transition? Wenn die Antwort ist, dass sie/er so funktioniert, wie es für dich am besten ist, dann überprüfe noch einmal deine Antwort.
Das was dir hilft, damit zurecht zukommen, liegt in dir selbst. Jetzt erst recht, vor allem anderen, selbst den Weg in die eigene Mitte antreten. Sich seine Kraft zurückrufen, in die eigene Kraft kommen und aus der Mitte heraus, ausgeglichen dem Menschen zu begegnen, der nun offensichtlich gegengeschlechtlich einen Ausdruck im Außen sucht (DWT, TV, TS; CD oder, oder, oder).
Über den Verstand zu versuchen, etwas oder einen Menschen zu verstehen, wird scheitern, besonders bei Transidentität. Man kann diesen Menschen nur annehmen und lieben wie er ist, was aber nicht bedeutet, dass man sich selbst und seinen eigenen Weg aus den Augen verliert.
Das, was die Transidentität ausmacht, darüber gibt es viele Betrachtungen und Untersuchungen. Auch die Aufstellungsarbeit hat sich damit beschäftigt und kann zumindest einen Weg anbieten, was im Unbewußten abläuft, sichtbar zu machen. Zwar wird dies an der Transidentität wahrscheinlich nichts ändern, aber das Leben damit erleichtern.Solange das Unbewußte im Unterbewußtsein bleibt,
wird es dein Leben steuern und du wirst es Schicksal nennen.
C. G. Jung
Als für Denies klar war, dass die Transition für sie unausweichlich wird, war für mich klar, dass ich den Weg mit ihr gehe und habe die Entscheidung getroffen, dass es kein Weg des Leidens wird, sondern des Erkennens, Lernens, daran zu wachsen und ja, ich habe auch schöne Stunden darin gesehen. Das lässt sich ebenfalls in den Fäden nachlesen, die ich weiter oben genannt habe. Neue Begegnungen, fremde Menschen, die mich manchmal sogar sofort tief berührt haben.
Eine TS kam zu einem Stammtisch, mehr <-> als alles andere, aber sie war draußen und fühlte sich elend und genial zugleich. Ich nahm ihre Hand und schenkte ihr Ruhe, gab von meiner Gelassenheit etwas ab und irgendwann kam sie dann tatsächlich in der Gaststätte an unserem Tisch innerlich „an“ und schaffte es an dem Abend doch auch noch mit uns etwas zu essen. Unsere Wege kreuzten sich bei den Stammtischen ab und zu und sie war mir für diesen Abend so sehr dankbar. Dabei war ich einfach nur menschlich und da – mehr nicht.
Sehr vieles habe ich während der Transition und dann zusätzlich in der Ausbildung aus dem Unterbewußtsein heraufgeholt und mir genauer angesehen. Nein, es war nicht immer einfach oder schön und es war schmerzhaft genug. Doch der Weg hinaus ist allein der Weg hindurch. Und ich wollte auch nicht mehr. Ich hatte keine Kraft mehr, mich in der Familie aufzureiben. Es war absolut Zeit, Frieden zu machen.
Jeder Weg eines Menschen ist anders und doch gelten die Prinzipien, nach denen das Leben sich ordnet und fügt für alle Menschen gleich. Mancher Mensch entwickelt sich leichter, mancher weniger leicht. Mancher kann sich weiterentwickeln und mancher nicht.
Alles daran ist menschlich.
Doch können wir einem Menschen, besonders dem, den wir lieben, seinen Weg lassen?