Was mich interressieren würde: wie habt ihr das mit eurem ersten Outing denn gemacht? Es wird wohl keiner zu seiner Frau oder zu den Eltern einfach so nebenbei gesagt haben "Ach, ähm, übrigens, da fällt mir ein, ich trage gern Kleider." Und kaum ein Gegenüber wird dann gesagt haben "Ja und?"
Nachdem meine Ehe am Scheitern war und meine Frau eine Auszeit haben wollte, war ich natürlich erst einmal allein in der Wohnung. Meine Leidenschaft zum Tragen weiblicher Kleidung, zuvor schon latent und als inniger Wusch vorhanden, aber unterdrückt und kaum ausgelebt, hat sich dadurch endlich Freiräume geschaffen. Schon nach kurzer Zeit habe ich gemerkt, dass ich irgendwie freier, glücklicher, ausgeglichener bin, wenn ich nach einem harten Arbeitstag, an dem ich meinen Mann zu stehen habe, einen Ausgleich darin finde, mir nach Feierabend Frauensachen anzuziehen, mich darin anders zu bewegen, sanfter und entspannter zu sein. Und wie schön es doch sein kann, an einem verregneten Sonntag zuhause mal von früh bis spät ein schönes Kleid anzuhaben und einfach anders sein zu dürfen. Aber es spukt immer im Hinterkopf: das darf keiner erfahren! Irgendwann kommt dann aber der Moment, wo man nicht mehr anders kann, wo das Versteckspiel frustriert, wo es raus muss, wo das Bedürfnis mit jemandem drüber zu reden einfach zu groß wird. Reden mit einer echten Person, die einen kennt, nicht irgendjemand aus einem anonymen Internet-Chat oder dergleichen. Ich wohne auf dem Land, in der tiefsten oberbayerischen Provinz. Hier kennt jeder jeden, einige Leute sind so konservativ und katholisch, dass es sogar dem Papst peinlich sein dürfte. Und hier im Haus wohnt ausgerechnet noch eine der "Dorfratschen". Also alles andere als Idealbedingungen.
Nun hatte ich immer ein eher gutes Verhältnis zu meiner Mutter; vor allem seit mein Vater verstorben war; meine Eltern hatten sich schon lange vorher auseinandergelebt und waren geschieden, das Verhältnis zu meinem Vater war stets gespannt. Und meine Mutter hat seit jeher einen Schlüssel für meine Wohnung, sie kann und darf jederzeit rein. Hin und wieder bringt sie einfach mal einen Kuchen, einen Brief an mich, der noch ans Elternhaus adressiert ist usw. Und da hatte ich freilich die Befürchtung, dass sie mich einmal in meiner weiblichen Kleidung erwischen könnte. Es lag also nahe, wenigstens meine Mutter (damals 61, ich gerade 40) endlich mal einzuweihen, zumal sie schon gemerkt hatte, dass ich seit der Trennung etwas zurückgezogen und still geworden war. Lange habe ich überlegt, das Für und Wider abgewogen, und bin dann zu dem Entschluss gekommen, es zu tun. Wie sie reagieren würde - keine Ahnung. Aber lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Ich war das Verheimlichen gründlich leid. Aber wie sagt man's überhaupt? Direkt mit ihr zu reden, da hat mir der Mut gefehlt.
Schließlich hab ich mich hingesetzt und einen Brief geschrieben. Ich habe mir viel Zeit dazu gelassen, fast zwei Wochen. Immer wieder ruhen lassen, wieder druchgelesen, hier was gestrichen, dort was ergänzt, nicht zu lang, nicht zu kurz. Dabei hatte ich auch irgendwie das Gefühl, den Brief nicht nur an meine Mutter, sondern auch an mich selbst zu schreiben. Vieles wurde mir erst bei der Fassung in geschriebene Worte so richtig bewusst. Teilweise habe ich beim Schreiben tatsächlich nervös und fast ängstlich gezittert, zweimal sogar geweint. Schließlich hatte ich etwa vier Textseiten beinander, alles so geschrieben, dass das Eigentliche zwar erklärt war, aber bewusst so, dass Fragen offen blieben. Vordergründlich sachlich, aber auch so, dass auch meine Emotionen zwischen den Zeilen herauszulesen waren. Und mit einer Schlusszeile, sie möchte mich doch bitte vorbehaltlos und ungeniert nach allem fragen, was sie dazu wissen wollte.
Dann hab ich ihr den Brief ausgedruckt, in einen Umschlag gesteckt und morgens in meiner Küche hingelegt an einem Tag, wo ich wusste, dass sie untertags vorbeikommen würde, um ein paar Geschirrteile abzuholen. Als ich abends heimkam, war der Brief weg. Und es gab kein Zurück mehr.

Wie habt ihr das denn beim "ersten Mal" gemacht?
Liebe Grüße
Stefanie
... und euch allen ein frohes neues Jahr!
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