Liesel40 hat geschrieben: ↑Di 12. Jan 2021, 22:50
Du bist ja schon in Deiner Nähe anerkannt und hast dementsprechend viel Unterstützung und fühlst Dich wohl.
Sagen wir mal so: ich habe das Gefühl, es wird toleriert, was ich da mache. Anerkannt wird es nur von ganz wenigen, viele sind verunsichert und können nichts damit anfangen, einigen ist das Thema auch sichtlich unangenehm. Zur Zeit fühle ich mich eher toleriert mit meiner neuen "Macke" als anerkannt.
Besonders schwierig ist das für mich bei meiner Frau, die mich zwar machen lässt, aber auch sagt, wenn es ihr zu viel wird. Und Einiges geht mit ihr eben nicht, zum Beispiel gemeinsames Ausgehen oder dass ich mich in "ihrem" Bekanntenkreis oute. Dazu gehört auch ihre Familie. Sie redet auch nicht gerne darüber, weil sie mich nicht versteht und sie sich überhaupt nicht für Genderthemen interessiert, wie sie sagt. Sie möchte Dinge gerne auf der rationalen Ebene erklärt bekommen. Aber auch da gibt es eine große Differenz im Wissensstand. Sie zeigt kaum Motivation, sich selbständig mit den Fakten zum Thema Gender auseinanderzusetzen und beklagt sich andererseits, dass ich Monolge halte, oder gar nichts sagen würde. Und so ist auch nicht klar, was aus dieser Beziehung in Zukunft noch wird.
Es gibt aber auch Positives zu vermelden: Ich habe sehr viel Freiraum, mich im Privaten auszuleben, weil ich den ganzen Tag daheim sein kann, während sie zur Arbeit das Haus verlässt. Das entspannt die Situation ziemlich. Zumindest vordergründig.
Unterstützung und unglaublich wohltuende Anerkennung hatte ich von einer neu gefundenen Freundin bekommen, die mir die Augen für das Thema Transgender überhaupt erst richtig geöffnet hat. Das war vor einem Jahr. Bis dahin hatte ich mich einsam im Internet informiert, war auch mal über dieses Forum gestolpert, hatte aber damals noch nicht das Bedürfnis, mich anzumelden. Mir war mein neues Sein noch zu vage, zu unerkannt und unerklärlich für mich selbst, als dass ich mich damit in einem Forum auseinandersetzen wollte. Heute ist das anders, und einen ganz wesentlichen Anteil daran haben die Gespräche mit dieser Person. Bei ihr konnte ich einfach so sein, wie ich mich fühle. Von ihr habe ich den schönen Satz:
Ich möchte so aussehen, wie ich bin. Und das war auch möglich, dass ich in ihrer Wohnung so aussehen konnte, wie ich bin. Sie hat es vorbehaltlos angenommen und mir das unbeschreibliche Gefühl gegeben, genau so richtig zu sein. Sie hat auch zum ersten mal was von Transgender geredet. Eine neue Schublade, die für mich bestimmt war?
Dabei hätten wir uns fast verpasst. Als ich schon am gehen war, hat sie mich bei der Feier eines gemeinsamen Bekannten auf meine lackierten Fingernägel angesprochen. Als Einzige übrigens an dem Abend. Und bereits nach wenigen Minuten hatten wir das Gefühl, dass wir im jeweiligen Gegenüber etwas gefunden hatten, dass es hier eigentlich gar nicht geben sollte. Und selbst wenn, dann ist die Wahrscheinlichkeit, in dieser Riesenstadt eine Seelenverwandte zu treffen, nahezu Null.
Leider ist sie ein paar Wochen später nach Deutschland zurück, und seither gibt es nur noch virtuellen Austausch, der weit weniger intensiv ist als die persönliche Begegnung bei einem Glas Wein. Sie hat inzwischen wieder viel um die Ohren, so dass ich sie mit meinen Bedürfnissen auch nicht überbeanspruchen möchte.
Dann gibt es noch meine Herkunftsfamilie in Deutschland. Mit Eltern, die plötzlich in für sie sehr fremdes und unsicheres Fahrwasser geraten, wenn der Sohn erklärt, dass mit ihm etwas anders sei, als sie das bisher sicher glaubten. Mit einer Schwester, die das alles ganz spannend findet und ihren langweiligen Bruder fragt, ob sie denn jetzt eine Schwester hätte (musste ich zu ihrer Enttäuschung leider verneinen, weil ich zwar gerne weiblich aussehen möchte, mich aber als nicht-binär beschreiben würde). Mit ihren Kindern, die es irgendwie zwischen selbstverständlich und amüsiert aufnehmen, dass der Onkel nun auch noch trans ist.
Das sind grob Bezugspunkte, zwischen denen ich mich derzeit wiederfinde.
Vielleicht sind meine Erwartungen ans Umfeld auch zu hoch, aber richtig glücklich bin ich damit nicht.
Vielleicht hast Du auch recht damit, dass ich mir Zeit lassen und mich erstmal über das Erreichte freuen sollte.
Liebe Grüße
Lana